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Die Firma Wilhelm Gronau in Berlin will anscheinend
denBuchdruck wieder zu den klassischen Ornamentformen
zuriickfiihren, wenigstens lafit das unter dem bezeichnen-
den Titel Recamier erscbienene Anwendungsheft mitZier-
material von Heinrich Wieynk hierauf schliefien. Die ge-
nannten Ornamente, die mit der gefeierten Madame Re
camier nur den Namen gemein haben, sind an sich ganz
wirkungsvoll, ihre Zweckbestimmung fiihrt indessen zu
sehr auf das vor noch nicht gar so langer Zeit verlassene
Gebiet des Rahmensatzes zuriick mit alien seinen techni-
schen und kiinstlerischen Nachteilen, vorausgesetzt, dafi
sich der Setzer an die Beispiele des Anwendungsheftes
halt, was er nach meiner Ansicht aber lieber unterlassen
soil, denn er wird bei zwangloser Anordnung der Stiicke
Besseres erzielen.
In einem Oktavhefte veroffentlicht die Schriftgiefierei
Emit Gursch in Berlin ihre kleinen Reformornamente. Ich
kann fiir dieses hiibsche Material nur das frfiher fiber die
grofieren Stiicke Gesagte wiederholen: Das Material ist
bei maBiger Anwendung recht wirksam und hat den Vorteil
der mannigfachsten Ausnutzbarkeit.
Eine grofie Auswahl Neuheiten hat die Schriftgiefierei
undMessinglinienfabrikJulius Klinkhardt in Leipzig neuer-
dings geschaffen, zumeist flott gezeichnete und fiir den
taglichen Bedarf zugeschnittene Zierformen fiir Akzidenz
und Zeitung. Die als Erganzung zu den vielverbreiteten
modernen Linienornamenten, Serie 102, bestimmten Flora-
ornamente in ffinf Serien fiir ein- und zweifarbigen Druck
diirften wegen ihrer einfachen Verwendbarkeit viel Beifall
finden. Mit den als lichte Druckverzierungen gedachten
religiosen Vignetten werden durch Verbindung mit leisten-
formigem Verzierungmaterial gute Wirkungen auch auf
solchen Drucksachen erzielt, zu deren Herstellung bislang
nur das alteste Material herangezogen wurde.
Die Aktiengesellschaft fiir Schriftgiefierei und Maschinen-
bau in Offenbach a./M. hat ebenfalls eine sehr grofie Aus
wahl in Ornamenten stumpffeinen Charakters heraus-
gegeben. Das in der Zeichnung hiibsch gegliederte Zier-
material wirkt zwar in der leistenformigen Anwendung
etwas eintonig, nichtsdestoweniger wird man aber gern
auf dasselbe zurfickgreifen, wo es vorhanden ist.
Die Firma Numrich Co. in Leipzig bereichert den
Schriftmarkt mit einer Engen Halbfetten Etienne, die sich
bei Zeitungen mit schmalen Spalten als besonders prak-
tisch erweisen wird. Die gleichzeitig erschienene Mosaik-
Einfassung darf als eine recht geschickte Auflosung der in
Anzeigen immer plump wirkenden fetten Umrahmungs-
linien gelten.
Die Rudhardsche Giefierei in Offenbach a,/M. bringt in
einem umfangreichen Anwendungshefte ihre nach Skizzen
von Reinhold Bauer in Dfisseldorf entworfene Reklame-
schrift Rfibezahl zur Veroffentlichung. Bei dieser Schrift
ist die Bildflache des Buchstabens auf das Alleraufierste
geffillt, trotzdem aber durch eine geschickte Bemessung
der sogenannten Punzenweite und der Raumgliederung
voile Lesbarkeit erzielt. Mehrere Einfassungen erganzen
dieses Erzeugnis.
Die Schriftgiefierei J. G. Schelter Giesecke in Leipzig
hat ein umfangreiches Neuheitenheft mit Akzidenz- und
Buchschmuck herausgegeben, das so reichhaltig ist, dafi
eineeingehende Besprechung des Inhaltes mehrereSpalten
erfordern wfirde. Kurz gesagt sei: Das Heft enthiilt eine
Ffille von Originalerzeugnissen durchweg kiinstlerischen
Charakters, die zum grofiten Teil von Heinz Keune ent-
worfen sind und dem neuzeitlichen Geschmack voll ent-
sprechen. In den ornamentalen und figuralen Ornamenten
liegt ein einheitlicher vornehmer Zug, der mit der Schrift
vorteilhaft zusammenstimmt. Die vorkommenden Schriften
sind „KUnstlerschriften" im strengsten Sinne des Wortes,
denn bei ihrer Beurteilung mufi die Frage nach der allge-
meinen Verwendbarkeit und diejenige der augenfalligen
Deutlichkeit ausgeschaltet werden. Schriften wie z. B. die
Maria Theresia konnen nur als Zierschriften, aber nicht als
Gebrauchsschriften bezeichnet werden, denn diese er
fordern, wie ich schon wiederholt betont habe, Klarheit
und leichte Lesbarkeit. Das Heft in seiner Gesamtheit ist
aber eine ganz hervorragende Leistung. Auf den einzel-
nen Blattern aufiert sich eine bestimmte kiinstlerisch vor-
nehme Richtung, deren Durchffihrung in der Praxis einen
gelauterten Geschmack des Setzers und Druckers bedingt.
Unter dem Namen desZeichners Paul Bfirck gibt die Fir
ma D. Stempel in Frankfurt a./M. eine Schrift heraus, die
als eigenartige Schrift fflr feine Akzidenzen bezeichnet
wird. Bfirck, der als Kfinstler besonders nach der orna
mentalen Seite hoch zu schatzen ist, hat eine Schrift ge
schaffen, die als eine Variante in der grofien Schriften-
familie der Grotesk bezeichnet werden mufi. So sehr ich
es anerkenne, dafi die Firma Stempel nun zur Schaffung
neuer Schriften auch Kfinstler von Bedeutung heranzieht,
so mufi ich doch ehrlich sagen, dafi die Bfirckschrift die
schopferische Originalitat vermissen lafit. Gewifi, sie ist
eine gute selbstandige Schrift, aber sie ist doch nur eine
Variation schon bestehender Schriftformen, nichts Eigen-
artiges, wie z. B. die Neudeutsch, die Eckmann oder die
Behrens. Auch die Ornamente lassen an Originalitat zu
wfinschen fibrig. Trotz alledem ist aber die Bfirckschrift
ein Erzeugnis, dessenAnschaffung bei Bedarf zu empfehlen
ist, denn sie wird sowohl im Werk- als auch im Akzidenz-
satz gute Verwendbarkeit finden.
Von der Firma Wilhelm Woellmers Schriftgiefierei in Berlin
liegt mir eine grofie Anzahl Proben von Neuheiten vor, von
denen nur einige herausgegriffen seien, die bekannte Sieg-
friedschrift in breitem Schnitt wirkt im ganzen besser als
die zuvor erschienene schmale Siegfried, denn die daraus
gesetzten Akzidenzen usw. erhalten ein recht wirksames
Geprage, das durch geschickt angeordnete Zierstficke
noch wesentlich gehoben wird. Auch die zweifarbigen
Initialen erganzen die Schrift vorteilhaft. Eine kleine Aus
wahl sogenannter Empirekassetten wird den Anhangern der
Liniendekoration ein willkommener Zierat sein, der auch,
sinngemafi verwandt, ganz gefallige Umrahmungen usw.
geben wird. Die lichten Anzeigenschriften mfissen als
ein Ergebnis der Zeitstromung bezeichnet werden, konnen
aber meinen Beifall nicht finden. Ich verweise hier auf
dasjenige, was ich weiter oben bei den gleichartigen Er-
zeugnissen der Firma Berthold gesagt habe. Ein beson-
deres Heft macht mit der Mercedes-Antiqua bekannt, eine
im ganzen nicht unwirksame, wenn auch etwas unruhige
und nicht gerade charakteristische Schrift, die aber sowohl
als Titel- wie auch als Werkschrift Verwendung finden wird.
Als Erzeugnisse fiir die tagliche Praxis sind die Kursiv
Garnitur 5 und die Antiqua Garnitur 5 zu bezeichnen, die
sich durch sauberen Schnitt besonders auszeichnen. Das
gleiche gilt von der russischen Konsulgrotesk. Chronos.
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