archiv fur buchgewerbe
Muster nimmt, ist es ratsam, sich die Natur als Vorbild vor
Augen zu halten. Hierzu aber ist eine gewisse Freude und
Liebe zur Natur erforderlich und nur diejenigen, welche
diese besitzen, werden die Natur richtig verstehen und be-
Iauschen konnen. Vor tausenden von Jahren haben auch
die Menschen keinen andern Schmuck gekannt, als ihn
die Natur ihnen bieten konnte, indem sie sich die Bliiten
um den Kopf wanden. Nach und nach nun haben die
Menschen den Blumenschmuck auch auf die Gebrauchs-
gegenstande iibertragen und diese Periode bildet gleichsam
den Anfang des Stils, der Kunst. Spater aber sind durch
das Schnitzen in Holz, Leder usw. die Feinheiten der Natur
aus den Erzeugnissen der Kunst fortgeblieben, es ist aber
auch eine gewisse Versimpelung des Stils entstanden. Der
moderne Kiinstler hat auch unter solchen oder ahnlichen
Einfliissen zu leiden, wie z. B. speziell im Buchdruck durch
das zur Anwendung gelangende Material, die Schrift, das
Papier usw. Auch mull er sich an die zu losende Aufgabe
halten und eine stilgerechte Arbeit liefern, denn jede Ar
beit mull ihrem Zwecke entsprechen. Dem Kiinstler, der
fur den Buchschmuck arbeitet, stellen sich noch weitere
Schwierigkeiten entgegen; er darf die durch die Papier-
flache bedingte Stellung der Gegenstande nur so weit an
dern, daB dem Beschauer die Vorstellung der Wirklichkeit
bleibt. Eine Stilwidrigkeit ware es aber, wenn der Kiinstler
der Arbeit den Charakter des vollen Raumes geben wiirde,
darum ist auch im Buchschmuck das wirklich Plastische
und Raumliche auszuschlieBen. Uberdies muB auch die
Farbe in Betracht gezogen werden, weil man auch mit we-
nigen Farben den gewiinschten Erfolg erzielen muB. Zum
SchluB ermahnte HerrGeiBler die jiingere Generation noch,
sich nicht durch eine Kritik der Fehler ihrer Arbeiten be-
irren zu lassen und sich darum auch an Preisausschreiben
usw. zu beteiligen. In der Sitzung vom 29. November,
welche die25jahrige Tatigkeit der Gesellschaft abschloB,
sprach Herr Smalian iiber neue NormalgieBzettel. Erlegte
seinen Ausfuhrungen die von der Leipziger Typographi-
schen Gesellschaft ausgearbeiteten NormalgieBzettel zu-
grunde und wies auf die friiheren Versuche zur Aufstellung
eines einheitlichen Giefizettels fiir alle Zwecke hin. Neuer-
dings sei die Angelegenheit unter Benutzung der Unter-
suchungen F. W. Kaedings iiber die Haufigkeiten der ein-
zelnen Buchstaben in den deutschen Worten wieder auf-
genommen worden und die Leipziger Typographische
Gesellschaft habe sich einer dankenswerten Aufgabe
unterzogen, an welcher andre Gesellschaften jetzt weiter
zu bauen flatten. Ein lebhafter Meinungsaustausch schloB
sich an diese Ausfiihrungen an. B-.
Braunschweig. Die Typographische Gesellschaft begann
ihr eigentliches Winterprogramm mit einer groBeren buch-
gewerblichen Ausstellung, die in dem vom Stadtmagistrat
zur Verfiigung gestellten Altstadtrathaus-Saal stattfand.
Die Ausstellung, mit der die Gesellschaft zum ersten Male
mit ihren Bestrebungen in die Offentlichkeit trat, sollte die
historische Entwicklung der Buchdruckerkunst von An-
beginn bis zu ihrer heutigen technischen Hohe veranschau-
lichen. Dieser Grundgedanke war gut zur Ausfiihrung ge-
bracht, zumal es gelungen war, die an alten Drucken so
reiche Stadtbibliothek in Braunschweig, sowie die Herzog-
liche Bibliothek zu Wolfenbiittel zur Beteiligung zu ge-
winnen. Diese Sonderabteilung zeigte denn auch unter
andern Gegenstdnden folgende Drucke: AblaBbrief von
1454, hergestellt in der Gutenbergschen Druckerei, Bibel
von 1462, gedruckt von Fust und Schoffer, den altesten be-
kanntenBraunschweiger Druck, eine Evangelien-Harmonie,
gedruckt von Flans Dorn, ferner alte Drucke von Wolfen
biittel, Plelmstedt, Blankenburg usw. Die heutigeheimische
Kunst wurde durch die reiche Beteiligung graphischer
Firmen des Herzogtums Braunschweig veranschaulicht,
deren zumTeil recht wirkungsvoll undvornehm aufTafeln
zusammengestellten Drucksachen den groBten Teii des
Raumes einnahmen. Der hohe Stand, den das Buchgewerbe
in Braunschweig einnimmt, wurde durch technisch und
auch kiinstlerisch hervorragende Arbeiten in treffender
Weise gezeigt. Die moderne Buchkunst wurde durch eine
Ausstellung vornehmer Umschlage und Vorsatzpapiere
(vom Deutschen Buchgewerbeverein) und moderner Buch-
seiten (von der Leipziger Typographischen Gesellschaft)
veranschaulicht. Die den Buchdrucker sehr interessierende
Entwicklung der verschiedenen alteren Stile zeigten Tafeln
aus den Sammlungen der Berliner und der hiesigen Typo
graphischen Gesellschaft. Verschiedene Tafeln zeigten
Skizzen, unter denen sich auch die aus einem Preisaus
schreiben hervorgegangenenEntwiirfe fiir Familienanzeigen
befanden. Erwahnung verdient auch die vornehm ausge-
suchteSammlungExlibris fast aller deutschen Buchkiinstler
(gegeben von F. Fleischmann, Miinchen), die letzten Johan-
nisfestdrucksachen und eineSammlung Gutenbergfestpost-
karten. Am Abend vor der offentlichen Ausstellung waren
die Mitglieder und die Herren Aussteller zu einer Vorbe-
sichtigung eingeladen worden, wobei der Vorsitzende der
Typographischen Gesellschaft, Herr Oberfaktor Krosing,
in seinerEroffnungsansprache auf den Zweck und Ziele der
Typographischen Gesellschaften hinwies und den zahlreich
Erschienenen fiir ihr hierdurch zum Ausdruck gebrachtes
Interesse herzlichen Dank sagte. Am 27. Oktober 1904
sprach Herr R. Mahler iiber Zeichnen und Herstellung der
Tonplatten. Dieser Vortrag, an den sich eine lebhafte Aus-
sprache anschloB, diente gleichzeitig als Einfiihrung zu
dem Mitte November beginnenden Tonplattenschneide-
kursus, der von dem Vortragenden geleitet werden wird.
Nach diesem Vortrag sprach Herr Krosing iiber die dies-
jahrigen Johannisfestdrucksachen. Zur Erlangung von Ent-
wiirfen zu Drucksachen fiir die Gesellschaft (Briefkopf,
Briefumschlag und Postkarte) soli ein Wettbewerb ver-
anstaltet werden. Die vom Vorstand festgelegten Be-
dingungen sowie Preise werden angenommen. Das Preis-
richteramt soli der Typographischen Gesellschaft Leipzig
angeboten werden.
Braunschweig. Die Typographische Vereinigung hielt
am 7. Oktober ihre erste Sitzung in diesem Winterhalbjahre.
Auf der Tagesordnung stand die Besprechung der vierten,
fiinften und sechsten Rundsendung des Verbandes der
Deutschen Typographischen Gesellschaften. Allseitige An-
erkennung fanden dieBuchumschlage, die groBtenteils von
bekannten Kiinstlern gezeichnet sind. Bemangelt wurde,
daB aufvielen Umschlagen die Schrift allzu stiefmiitterlich
behandelt sei; aus der Zeichnung allein konne man nicht
den Titel eines Werkes erraten, der Schrift sei in jedem
Falle die groBere Beachtung zu schenken. Nicht fiir den
Setzer allein sei diese Regel maBgebend, sondern auch der
Kiinstler miisse sich ihr unterordnen. Von den beiden
andern Rundsendungen wurde den in Satz ausgefiihrten
Arbeiten das groBere Interesse zugewendet, zumal sie
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