;he Rundschau
ARCHIV FOR BUCHGEWERBE
Ausstellungswesen.
BriefverschluBmarke. Zwecks Erlangung einer
vorlaufigen BriefverschluBmarke war seitens der
Internationalen Ausstellung fiir Buchgewerbe und
Graphik Leipzig 1914 ein Wettbewerb unter den
Schulern der Kgl. Akademie fur graphische Kiinste
und Buchgewerbe ausgeschrieben worden. Die Auf-
gabe bestand darin, eine reine Schriftmarke anzu-
fertigendie irgendwelche figiirliche oder sym-
bolische Hinweise auf die Ausstellung also nicht
enthalten sollte, und hierzu waren 84 Entwiirfe ein-
gegangen. In einer Sitzung des Presseausschusses
wurden zunachst acht Arbeiten in die engere Wahl
gestellt und von diesen folgenden vier Preise erteilt:
Paul Schneider, I. Preis; Heinz Dorffel, II. Preis; Els-
beth Bruns, III. Preis; Bruno Eyermann, IV. Preis.
Lobende Erwiihnung fanden die Entwiirfe von: Erna
Creutzberger, Max Naumann, Adelheid Schimz und
Lotte Winter. Die preisgekronten Arbeiten werden
im nachsten Hefte des Archiv fiir Buchgewerbe als
Beilage veroffentlicht. Wie schon erwahnt soil der
zur Ausfiihrung kommende I.Preis als vorlaufige Ver-
schluBmarke dienen, denn es besteht die Absicht,
spaterhin fiir jede der 16 Gruppen der Ausstellung
eine besondere Siegelmarke zu schaffen, die das Ge-
biet der einzelnen Gruppe durch geeignete Darstel-
lung in kiinstlerischer Weise zum Ausdruck bringt.
SchriftgieBerei.
Eine Mediaval-Kursiv von Walter Tiemann
herausgegeben von Gebr. Klingspor, Offenbach.
Zur Tiemann - Mediaval hat die GieBerei Klingspor
eben eine Kursiv herausgegeben, die uns in einer
hochst geschmackvoll ausgestatteten, 36 Seiten um-
fassenden Probe vorliegt. Wie bei einem Kiinstler
wie Tiemann nicht anders anzunehmen ist, erfiillt
diese neueTiemannschrift alle Erwartungen, die man
hegen konnte, und tritt als eine vollwertige Erganzung
seiner Antiqua an die Seite. Nach dem mit den An-
wendungen gefiillten Teil der Probe sind die ver-
schiedenen Grade der Tiemann-Kursiv vorgefiihrt,
dann die Zierbuchstaben in verschiedenen GroBen,
Einfassungen und eine ganze Reihe von Schmuck-
stucken, aus denen man Tiemann auch als Ornament-
kiinstler kennen lernen kann. Die Tiemann-Antiqua
ist vielleicht die meistverwendete und am leichtesten
zu verwendende moderne Kunstlerschrift, die wir
haben, und der Grund hierfur liegt in ihrem reichen
Fond an guterTradition. Sie ist nicht so „geistreich"
wie manche andre moderne Erzeugnisse, und sie
schlieBt sich enger als diese an die traditionellen
l ormen an, dabei ist sie aber doch personlich und
so kultiviert, wie man es sonst nur von den Schriften
der alten Zeit gewohnt ist. Die Tiemann-Kursiv be-
sitzt dieselben Vorziige. Sie ist klar zu lesen, sehr
fein aber doch nicht diinn, harmonisch in der Er-
scheinung und von sehr schoner geschlossener Wir-
kung im fortlaufenden Satz. Wenn man im einzelnen
dem Zug der Buchstaben folgt, wird man mit beson-
derem Vergniigen den graziosen Biegungen, den
kleinen Schleifen und interessanten An- und Absatzen
der Buchstabenbilder nachgehen. Vor allem die Zier
buchstaben sind von groBem Reiz; es gewahrt viel
GenuB zu beobachten, mit welcher Grazie die ge-
brauchlichen Grundformen der Buchstaben zu amii-
santen Liniengebilden umgemodelt sind. Die Linien-
einfassungen sind einfach und geschmackvoll, die
Schmuckstiicke entsprechen den Gebilden, die
Tiemann bei seinen buchkiinstlerischen Arbeiten auch
sonst in so dezenter Weise zu verwenden liebt. Da
sehen wir Fruchtkorbe, Fiillhorner und dergleichen,
dann eine Sphinx, einen Pegasus, den Merkur usw.,
einem Kreis oder Oval einbeschrieben, in der Art,
wie es der Kunstler bei seinen Signeten zu tun pflegt.
Die Tiemann-Kursiv ist nicht nur im Zusammenhang
mit der Antiqua als eine wesentliche Bereicherung
unsers Schriftbesitzes zu bewerten und steigert den
Wert der Antiqua, sondern sie stellt auch eine fur
sich sehr hoch zu schatzende und gut zu verwendende
Schrift dar. Neben derWieynk-Kursiv haben wir jetzt
noch eine zweite hervorragende neue Kursivschrift,
die gerade im Hinblick auf diese erste sehr deutlich
erkennen laBt, welche verschiedene Moglichkeiten
sich dem modernen Schriftkunstler bei der Losung
solcher Aufgaben bieten. DieWieynk-Kursiv schliefit
sich mehr an die Formen des 18. Jahrhunderts an
und geht sehr deutlich aus dem freien, beweglichen
Duktus des Schreibens hervor. Die Tiemann-Kursiv
ist strenger, sie hat eher etwas von der friiheren
italienischen Art der Kursiv und ist vielmehr eine
ausgesprochene Druckschrift, wenn sie auch offenbar
sehr viel von den lebensvollen Ztigen der geschrie-
benen Schrift mit ubernommen hat.
Ehmcke-Fraktur. Ist es nun im allgemeinen Ent-
wicklungsgang begrundet oder muB es direkt als eine
Folge des Schriftstreites aufgefaBt werden Tat-
sache ist es jedenfalls, daB man der deutschen Schrift
in neuester Zeit ganz besondere Aufmerksamkeit
widmet. Wir werden in den nachsten Jahren noch
mehr neue Kiinstler-Frakturschriften bekommen, so
wie wir hervorragende Antiquaschriften bereits be-
sitzen. Die Aufgabe scheint besonders schwer, des-
halb wurde sie bis jetzt noch nicht so intensiv in
Angriff genommen. Wie F. H. Ehmcke sich mit dem
Problem abfinden wurde, war auf jeden Fall be-
merkenswert,schon deshalb wird die neueste Ehmcke-
Schrift eines weitgehenden Interesses sicher sein.
Die Ehmcke-Fraktur ist zunachst nicht im Handel und
223