ARCHIV FUR BUCHGEWERBE
Schnitt bis zur GroCe von fiinf Cicero fortgefuhrt.
In ahnlicher Weise haben Genzsch &Heyse in Ham
burg und Miinchen ihre alten Original-Frakturschrif-
ten, die als Leibniz-Fraktur stark verbreitet sind, durch
den Nachschnitt groCererGrade bis fiinf Cicero ver-
vollstandigt und auch die Grade Grobe Mittel und
GrobeTertia aus ihren alten Matrizenbestanden wie-
der aufgefrischt. Die Liebhaber einer echten Fraktur
finden nach dieser Vervollstandigung hier eine liicken-
lose vorziigliche Schrift.
Eine „ganz neue" Fraktur ist die den Lesern des
Archiv aus einer Beilage bekannte Ehmcke - Fraktur
derOffizin von W. Drugulin in Leipzig. Diese Schrift
ist wohl nur alseinkiinstlerischerVersuch anzusehen;
die gute Wirkung glatter Seiten soli gern anerkannt
werden, die willkiirliche Behandlung der Versalien
und einiger Gemeinen erinnert aber an Versuche
aus langst vergangenen Zeiten, die gliicklicherweise
wieder vergessen sind.
An das Problem einer Fraktur-Kursiv ist im letzten
Jahre nur durch das Erscheinen zweier sehr guter
Gesamtproben erinnert worden. Die SchriftgieCerei
Heinrich Hoflfmeister in Leipzig hat von ihrer von
Rudolf Engelhardt gezeichnetenDeutschen Laufschrift
ein reichhaltiges Heft herausgebracht, das Schrift,
Initialen und Zierat in guten Anwendungen vorfiihrt.
Von der SchriftgieCerei D. Stempel in Frankfurt a. M.
erschien die Hauptprobe der von Karl Matthies ge
zeichneten Matthies-Kursiv, ebenfalls mit Initialen
und Schmuck ausgestattet. Die Laufschrift hat einen
energischen Charakter, der auch dem Zierat eigen ist;
die Matthies-Kursiv mitsamt ihrem reichen Schmuck
hat dagegen einen weichen, man konnte auch wohl
sagen: lyrisch-romantischen, beinahe sentimentalen
Ausdruck, der sich auch im Schmuck erkennen laCt.
So wirken die beiden Schriften sehr verschieden, aber
beide sind, jede in ihrer Art, gelungene Schopfungen.
Rudolf Koch hat seine ausgezeichnete Deutsche
Schrift in eine Kursiv umgezeichnet, die von der
SchriftgieCerei Gebr.Klingspor in Offenbach a.M. als
Deutsche Schrdgschrift herausgebracht wurde. Durch
die Schraglegung der kraftigen Ziige hat die Schrift
etwas an Kraft verloren, ihre Wirkung tritt neben
der geradestehenden Koch-Schrift ein wenig zurtick;
als Schrift fur sich ist sie auf Akzidenzen und im
Anzeigensatz aber von guter eigenartiger Wirkung.
Als einzige rein gotische Schrift findet sich die
von Wilhelm Jaecker gezeichnete Jaecker-Schrift der
Firma D. Stempel in Frankfurt a. M. Es liegen davon
zwei ansehnliche Probehefte vor, welche die Schrift
in einem normalen und einem halbfetten Schnitt
mit Initialen und Schmuck in guten Anwendungsbei-
spielen vorfiihren.
Die Abteilung der Neuheiten fur die Akzidenzaus-
stattung miissen wir etwas allgemein behandeln. Die
bedeutendsteErscheinungistdievon Heinrich Wieynk
fur die Bauersche GieOerei in Frankfurt a. M. ge
zeichnete Wieynk - Kursiv, mit Schmuck vom selben
Kunstler. Diese Schrift ist eine der wertvollsten der
letzten Jahre, sie ist die schonste Kursivschrift, die
dem Buchdrucker jemals geboten wurde. Ein dem
Werke wiirdigesProbeheft zeigtdie Schrift in muster-
giiltigen Anwendungen.
Kursivschriften, die der Schreibschrift zuneigen
und die der Buchdrucker gern als Zirkularschriften
bezeichnet, hat das Jahr mehrere gebracht: Weise-
Kursiv von F. A. Brockhaus, Isabel und Watteau von
Schelter&Giesecke, Mainperleyon Ludwig& Meyer,
Preziosa von Wilhelm Gronaus SchriftgieCerei. Ge-
radestehende geschriebene Akzidenzschriften sind:
Hans Sachs von Genzsch Heyse, Brunhilde von
Benjamin Krebs Nachf., Billet von H. Berthold und
Bauer &Co.; elegante Kartenschriften:Arisfo/craf, eine
schwungvolle Kanzlei von Ludwig&Mayer, und Apart,
eine offene und lichte gotische Schrift von der Aktien-
gesellschaft fur SchriftgieCerei und Maschinenbau.
Eine Schrift, die eine Art fur sich bildet, muC zum
SchluC noch erwahnt werdendie Wiener Grotesk
nach Zeichnung von Rudolf Geyer inWien, Original-
erzeugnis derSchriftgieCereien H. Berthold in Berlin
und Bauer Co. in Stuttgart. Es ist dies eine Schrift,
die den Namen „Grotesk" wirklich verdient, denn
sie hat nicht nur den Steinschriftduktus, sondern sie
wirkt in ihrer Zeichnung tatsachlich grotesk. Die
Versalien und die Oberlangen der Gemeinen sind
mehr als doppelt so hoch wie die m-GroCe und die
Breitenverhaltnisse der Versalien sind zum Teil sehr
willkiirlich gewahlt; das N ist z. B. breiter als das
M. Dabei muC der Schrift eine gewisse schneidige
Eleganz nachgeruhmt werden. Ein sehr nettes An-
wendungsheft zeigt die Wiener Grotesk in guten
Akzidenzbeispielen aller Art, und es ist nicht daran
zu zweifeln, daC auch diese Schrift viele Freunde
finden wird.
Hinsichtlich der typographischen Ornamente ist
es immer mehr iiblich geworden, solche den neuen
Schriften beizugeben. Die Neuheiten dieses Jahres
sind deshalb im vorstehenden zum groCten Teil schon
erwahnt worden und es brauchen nur noch einige
besondere Erscheinungen verzeichnet zu werden. So
hat die Firma Ludwig Mayer in Frankfurt a.M. ihre
originellen Reklamevignetten in einem GroCfolioheft
unter dem Titel Humor und Kunst in der Reklame
zusammengefaCt und damit dem Buchdrucker einen
Bilderschatz zurVerfiigung gestellt, der ihm in alien
Fallen aushelfen wird, wenn er Reklamedrucke und
Anzeigen wirksam illustrieren will. Ein weiteres Heft
von Ludwig Mayer bringt Vignetten von Max Hertwig:
eineumfangreicheSerie flottgezeichneterSilhouetten,
zum Teil humoristisch,fiir dengelegentlichen Schmuck
von Festdrucksachen, Reklame-, Wein- und Speise-
karten und dergleichen. Von J.G.Schelter& Giesecke
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