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Archiv fur Buchgewerbe un d Gebrauchsgraphik
schriftlichen Prunk vermieden, um seiner Schopfung
den Weg fur die mannigfachen Bediirfnisse des
Buchdruckers frei zu machen. Jeder Buchstabe ist
leicht lesbar und zeugt so von seiner Zweckbe-
stimmung.DieJaecker-Schriftisteineausgesprochene
Breitfederschrift, deren handschriftlicher Duktus
auch durch den Stempelschnitt nicht verwischt wer-
den konnte. Sie eignet sich besonders fiir den Akzi-
denzsatz, als Buchschrift hat sie sich nicht ein-
biirgern konnen.
War bisher die Neigung der Buchdrucker und ihrer
Auftraggeber in einer verhaltnismaBig langen Zeit
den erwahnten neuzeitlichen Schriften stark zu-
gewandt, so ist jetzt ein Zuriickgreifen auf histo-
rische gotische Typenbilder unverkennbar. Man
begegnet allerwegs alten hollandischen und eng-
lischen gotischen Schriften. Zuerst sahen wir die
beste althollandische Type in den Hundertdrucken
von Hans von Webers, die nach 1909 bei Joh. En-
schede en Zonen in Haarlem sorgfaltig hergestellt
wurden. Wenige Jahre spater zeigten Poeschel
Trepte in Leipzig im Anzeigenteil der ehemals
reizenden Zeitschrift „Der Zwiebelfisch" einen
schonen alten englischen Schnitt in zwei GroBen.
Vorher (1899) hatte die Bauersche Gieflerei in Frank
furt am Main ihre prachtige Manuskript-Gotisch
den deutschen Buchdruckern angeboten. DerErfolg
war leider minimal, das im gotischen Stil gehal-
tene Musterblatt war vielleicht nicht recht werbe-
kraftig. Die Manuskript-Gotisch ist nach Angaben
der Firma die reine gotische Buchschrift, wie sie
in den handschriftlichen Werken von Wynkyn de
Worde benutzt ist. Sie wurde dann im Anfang des
18. Jahrhunderts von dem beriihmten englischen
SchriftgieBer Caslon in Stahl geschnitten und von
der Bauerschen GieBerei in den kleineren Graden
durch Neuschnitt der Versalien erganzt und mo-
dernisiert. Wirhabendiesen hervorragendenSchrift-
schnitt schon in einem Prachtdruck ersten Ranges
(Folioband) gefunden, den Wolfgang Hopyl in Paris
1514 druckte.
Caslon diirfte also nur die Schrift nachgeahmt
haben. Die Franzosen machten es ebenso. Denn
Fournier bringt in seinem Manuel Typographique,
Paris 1764, eine kleine Probe von einer ahnlichen
gotischen Schrift, die die Schonheit des beriihmten
Vorbildes nicht tragt. Seit 1920 hat die Schrift-
gieBerei D. Stempel A.-G. in Frankfurt am Main
die Matrizen einer Caslon-Gotisch, die vorher Eigen-
tum der Firma W. Drugulin in Leipzig waren.
Dieser Schrift fehlt der Formenreichtum und zier-
volle Aufbau, immerhin kann sie mit der Manu
skript-Gotisch wetteifern. DasHochstmaB ihrer Aus-
stattung hat die spatgotische Schrift inderSchopfung
des Wolfgang Hopyl erreicht. Bedeutenderes konnte
kaum noch kommen. Seine Versalien gehoren zu
dem Besten was ein fiir kleinraumige Darstellung
begabter Schriftzeichner und Stempelschneider ge-
schaffen hat. Um so mehr iiberrascht die Tiemann-
Gotisch von Gebr. Klingspor in Offenbach am Main.
Auch hiersind die Versalien das Bemerkenswerteste,
sie bringen uns eine Fiille von personlich gefarb-
ten Beigaben des Kiinstlers. Die Senkrechten sind
straffer, die Buchstabenform ist ausgeglichener,
Hakchen, Spitzen, Bogen und Biigel zeigen den
erfahrenen Stempelschneider als Schrifttechniker.
Die Reihe der Gemeinen ist nicht stilrein, denn
c b e f I t sind den Frakturbuchstaben ahnlich.
Bei f f f ist dies offensichtlich.
Fiir den im Schriftwesen wenig Erfahrenen ist es
nicht leicht, die zahlreichen gotischen Schriftformen
streng zu unterscheiden. Deshalb sei betont, daB
sowohi die Caslon-Gotisch, als auch die lebensvolle
Manuskript-Gotisch und die Tiemann-Gotisch frei
sind von dem starren Zeitgeist, der uns in den
altesten Druckschriften des ausgehenden Mittel-
alters entgegentritt.