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fur das Buch hat man sie verschiedentlich
verwandt. Es ist anzunehmen, daB diese Gro-
tesk mehr noch als bisher Verwendung findet
gerade fiir den Druck von moderner, sachlich
und kiihl eingestellter Lyrik.
Auch die neue Berthold-Grotesk, die letzte
Schopfung dieses Gebiets, ist als Buchschrift
denkbar. Die Type wirkt gerade im Zusam-
menhang der Zeile geschlossen. Eine Ver-
zahnungzwischen denTypenist erreichtunter
Wahrung des strengen Duktus. Die Schrift
scheint wie die Futura— weit entfernt von
jedemindividuellenZug. Gerade diese Strenge
und Abstraktheit aber entspricht der Grund-
haltung des gegenwartigen Schrifttums.
Zu diesen und andern Handsatztypen der
Grotesk, an denen die neue Asthetik des Satzes
entwickelt werden muB - ist vor kurzem die
»Neuzeit-Grotesk« der Linotype-Setzmaschi-
nen G. m. b. H. getreten. Damit scheint die
Entwicklung, die zur sachlichenType im Buch
hinfiihrt, in hohem MaBe gefordert. Es wird
nunmehr moglich, Grotesksatz auf der Ma-
schine herzustellen. Eine Yerbilligung gegen-
iiber der Handarbeit ist erreicht, und es darf
erwartet werden, daB dieZahl der modernen
Drucke sich mehrt.
Die These von der Brauchbarkeit der Grotesk
im Buch, im Maschinenbuch, findet gerade in
der Linotypeschrift eine nicht geringe Stiitzc.
Es zeigt sich namlich, daB diese Maschinen-
grotesk eine ausgezeichnete Wirkung im ge-
schlossenen Satz ergibt. Die alten Buchschrif-
ten Fraktur und Schwabacher fiihren, auf der
Linotype hergestellt, nicht immer zu befrie-
digender Wirkung. Die Technik arbeitet mit
auBerster Prazision, jeder Buchstabe ist dem
andern gleich und gerade die alten, hand-
werklichen Schriften erscheinen bei solcher
Schematisierung unlebendig. Diese Typen-
familien eignen sich fur Handsatz besser. In
Werken einstiger Jahrhunderte vermogen sie
sich frei zu entfalten, weil die Einzellettern
ungleich ausgefallen sind bei der handwerk-
lichen Arbeit des Stempelschneiders.
Bedeutet die GleichmaBigkeit des Gusses auf
der Maschine fur die historischen Schriften
einen Nachteil - so wirkt der moderne, ganz
auf technischen Gegebenheiten fuBende Gro
tesksatz der Linotype auBerordentlich stilrein.
Der absoluten Pragnanz der Type entspricht
die Prazision des Gusses. Die Gleichartigkeit
der Typen bedeutet hier einen Vorteil. Es
zeigt sich, daB gerade die billig produzierende
Maschine einen Satz von ausgepragter Sach-
lichkeit zu liefern vermag. Die technische
Scharfe und Reinheit, der Verzicht auf das
Individuelle und Schmuckhafte kommt dem
heutigen Begriff von der zweckmaBigenSchon-
heit entgegen.
Auch die Buchherstellung vermag so, wenn
die Elemente der Form durchdacht werden,
wie alle andern Gebiete heutigen Schaffens,
Kunstgewerbe und Architektur der Ungunst
dieser Zeit ein Trotzdem gegenuber zu setzen:
Trotz des Angewiesenseins auf die Maschine,
trotz scharfster Kalkulation kann das Buch
Ausdruck dieser Zeit werden.
An einem zweiten Bestandteil des Buches b) Bild
sind Wege zu einer neuen Formgebung auf-
weisbar.
Zu jeder Epoche der Kultur und der Buch-
kultur gehort neben einer spezifischen Typen-
arteineBildform,die den Gehalten entspricht.
Dem Frakturbuch im bewegten Kampf der
Reformation fiigt sich der Holzschnitt vor-
ziiglich ein. Bildform und Typenform gehoren
zusammen und bilden eine Einheit. Das Ro-
kokobuch enthalt neben Textseiten aus fein-
gliedrig geschwungenen Typen Kupferstiche
desselben Stils. Die Anmut der Schrift ver-
schwistert sich mit der Anmut der Yignetten,
Initialen und Leisten. Die Epoche der Buch-
kunst anderseits, die den Ausgangs- und
Gegensatzpunkt fur diese Betrachtung bildet,
bevorzugt in ihrer Tendenz zur Handarbeit