VOM JETZIG EN STAND
DER REPRODUKTIONS-TECHNIK
326
VON RUDOLF RUSS-BERLIN
±n den ersten dreiBig Jahren desJahr-
hunderts hat die Kunstfertigkeit,
Bilder und Zeichnungen im Druck
wiederzugeben, mannigfache Wandlungen er-
fahren, die sich freilich weniger auf die Giite
der Wiedergabe, als auf die Mannigfaltigkeit
der Reproduktionsarten und auf die Schnellig-
keit der Druckherstellung beziehen. Die
Qualitat der Wiedergabe war schon zuBeginn
des JahrbundertsmitHilfederPhotomechanik
so hoch, daB sie aucb heute nicbt iibertroffen
werden kann; was sich die modernen Tech-
niker zwar nicht gerne sagen lassen, was aber
jeder objektive Beurteiler zugeben muB, wenn
er sich z. B. die prachtvollen Autotypien an-
sieht, die Angerer und Goschl in Wien im
letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts heraus-
bracbten, oder die uniibertrefFlichen Farben-
bucbdrucke, die Dr. E. Albert in Miinchen
um die Jahrhundertwende herstellte. Ganz ab-
gesehen von den gehaltvollen Heliograviiren
und Lichtdrucken, die damals schon das Beste
an Naturwahrheit der Abbildungen boten;
freilich in einem beschrankteren Kreise, der
durch die Langsamkeit des Druckes bei der
Graviire, durch die UngleichmaBigkeit des
Druckes beim Lichtdruck begrenzt war.
Lichtdruck und Heliogravure, die man als die
altesten Reprasentanten der photomechani-
scben Bildreproduktion ansprechen kann, sind
heute leider fast ganz verdrangt worden, was
besonders auf dem Gebiete des einfarbigen
Druckes gilt. Heliograviiren als Tafelbeilagen
besserer Buchwerke kommen wobl iiberhaupt
nicht mehr vor, und der Lichtdruck ist auf
seinem ehemaligen Hauptgebiet, den Post-
karten, durch Tiefdruck und Bromsilber-
kopien arg eingeschrankt. Nur fur farbige
Wandbilder wird Graviire und Lichtdruck
noch vielfach angewendet, wobei der Graviire
die oft ganz meisterhafte Wiedergabe alter
Gemalde verblieben ist; wogegen der Farben-
lichtdruck oft in Verbindung mit Stein-
druck mit Vorliebe zu jenem »Wand-
schmuck« berangezogen wird, der die guten
Stuben unsrer asthetisch weniger anspruchs-
vollen Stadt- und Landbiirger schmiickt, wo
bei es weniger auf Giite der Darstellung und
der Wiedergabe, aucb nicht auf GleichmaBig-
keit des Druckes, als vielmehr auf die GroBe
der Bilder und Prunk der Rahmen ankommt.
Als Tafeldruck fur Luxuswerke geringer Auf-
lage wird Farbenlichtdruck wohl noch des
oftern verwendet, wobei in der Regel die be-
notigte kleine Auflage aus einer wesentlich
groBeren gedruckten aussortiert werden muB,
wenn GleichmaBigkeit der Reproduktion Be-
dingung ist.
Dagegen hat die ungefahr ebenso alte Chemi-
grap/iie,dieseReproduktionstechnik desBuch-
drucks, ihr um die Jahrhundertwende erober-
tes Tatigkeitsfeld trotz aller neuen Verfahren
nicht nur behauptet, sondern sogar noch er-
weitern konnen. Sie dankt ihre feste Stellung
ganz hauptsachlich dem Umstand, daB sie mit
dem sicher nie entbehrlich werdenden Buch-