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druck in unzertrennlicher Yerbindung steht,
und daB die beiden Berufe im Wetteifer mit
Offset- und Tiefdruck immer wieder neue
Moglichkeiten aus ibren alten Erfahrungen
heraus entfalten und so ibre Erzeugnisse den
neuenAnforderungen entsprechend anpassen.
Freilich miissen sie auch diese ihre An-
passungsfahigkeit unermiidlich ausniitzen,
um sich der Konkurrenz gegenuber zu be-
haupten. Die momentane schlechte Beschaf-
tigung in beiden Berufen ist aucb nur zum
Teil auf diese Konkurrenz, zum groBeren Teil
auf die allgemeine schlechte wirtschaftliche
Lage zuriickzufiihren. Wie aber der Buch-
druck besonders den Tiefdruck in seine
Dienste stellen kann, werden wir im Yerlauf
unsrer Betrachtungen noch seben.
Die Chemigraphie, mit der bei ihr zum ersten-
mal erfolgten Anwendung von gekreuzten
Linienrastern zur Zerlegung von Halbtonen
in druckbare Elemente, kann als die Mutter
der modernen Reproduktionstecbnik bezeich-
net werden. Die gewaltigen Erfolge dieser
Rasteratzungen, welcbe den Holzscbnitt aus
den Buchdruckereien im Laufe der letzten
zwei Jabrzehnte des vorigen Jahrbunderts fast
vollstandig verdrangten und dem Steindruck
alle einfarbigen Bilddrucke abnahmen, wur-
den seit etwa 1895 aucb dem farbigen Stein
druck der mit bandpunktierten Tonen
arbeitenden Cbromolithographie so gefahr-
licb, daB man die Rastertecbnik mit alien
Mitteln in das Gebiet der Lithographie ein-
zufiihren bestrebt sein muBte, da aucb dieses
Gebiet der Graphik obne erweiterte An
wendung der Photomechanik nicht mebr aus-
kommen konnte. Zwar batte sicb die gerasterte
Photolithograpbie ungefabr gleichzeitig mit
der Cbemigrapbie entwickelt, aber gerade ibre
Rasterbilder befriedigten nicbt und konnten
gar keinen Vergleich aushalten mit denen des
Buchdrucks. Das lag neben der im Steindruck
nie ganz erreichbaren Scharfe der Punkte
hauptsachlich daran, daB man die an der
Rasterhochatzung moglicben und sicher zu
begrenzenden Anderungen der Tonwerte auf
dem Stein nicbt in gleich sicherer Weise aus-
fiibren konnte. Hier hat Gerstenlauer in
Stuttgart um 1906 einen wichtigen Schritt
getan, als er erstmalig die Hochatzung auch
dem Steindruck nutzbar gemacbt hat, indem
er die stets mangelbaften pbotographiscben
Farbenausziige durcb Hochatzung auf Zink
in der unumganglich notigen Weise ausge-
staltete und diese korrigierten Zinkatzungen
direkt auf den Stein umdruckte. Mit dieser
Anleihe aus dem chemigrapbischen Gebiet
wur de der photograpbische F arbenauszug und
die autotypische Rasterung eigentlich erst
rationell in das Gebiet der Chromolithographie
eingefiihrt, die mit dieser Hilfe sechs- und
siebenfarbige Bilder in pbotographischer
Formentreue bringen konnte, zu denen sie
vorher zwolf und mehr Farben gebraucbt
batte und denen die Fehler der manuellen
Entstehung meist nur zu deutlich anhaf-
teten.
Des Gerstenlauerschen Verfahrens hat sich
unter dem Namen Reisachers der bald darauf
aus Amerika zu uns kommende Offsetdruck
bemachtigt und sind die besten farbigen
Raster-Offsetdrucke bis vor einigen Jahren
mit seiner Hilfe entstanden; von einzelnen
Firmen wird das alte Verfabren heute noch
kultiviert. Im allgemeinen aber ist die direkte
Kopie auf Stein oder Offsetzink die fiihrende
Ubertragung geworden; denn daB der Um-
druck, der fur Offsetzwecke gar doppelt
gebraucht wird (von der Zinkatzung auf
den Stein, von diesem auf die Offsetplatte),
die Rasterpunkte nicht verscharft und die
Tone nicbt verbessert, und daB eine direkte
Kopie auf die Maschinenplatte eigentlich die
scharfste Wiedergabe des photograpbiscben
Rasternegativs und die beste Druckfahigkeit
geben muB, diese Erkenntnis setzte sich all-
mahlich durcb und ist heute fast zur Selbst-
verstandlichkeit geworden. Trager des Bildes