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demischer Burger angesehen wurde, sich der
Deposition zu unterziehen hatte. Diese Depo
sition mit ihren uns heute fast kindisch aus-
gelassen anmutenden Gepflogenheiten stand
aber durchaus nicht auf der Stufe eines stu-
dentischen Bierulks, sondern war eine hoch-
offizielle Einleitung zur Immatrikulation unter
demYorsitz und der Aufsicht eines eigens dazu
bestellten beamteten Depositors und hatte den
Zweck, dem Beanen oder Bacchanten, wir wiir-
den heute sagen dem krassen Fuchs, die Min-
derwertigkeit seines bisherigen Daseins und die
Notwendigkeit durch Ablegen aller vorherigen
Untugenden in Gesinnung und Benehmen ein
neues Leben anzufangen, durch eine Reihe
symbolischer Handlungen klar zu machen2.
Es ist hier nicht der Ort, im einzelnen auf den
Inhalt der akademischen Deposition einzu-
gehen; denn das Postulat der Buchdrucker,
mit dem wir uns zu beschaftigen haben, ist
eine dem Charakter nach gleiche, wenn auch
in der Form modifizierte Wiederholung.
Der Grund, aus dem wir hier ausfiihrlich uns
mit der Deposition der Buchdrucker befassen,
besteht einmal darin, dab diese Seite in der
Geschichtsschreibung der Buchdruckerei, von
vereinzelten summarischen Hinweisen abge-
sehen, leer geblieben ist und dann in der Uber-
zeugung, dab es auch heute nocb fur den Jiinger
der schwarzen Kunst wertvoll sein mub, die
Vergangenheit seines eigenen Berufes auch in
dieser Richtung kennenzulernen, um an einer
kiimmerlichen Gegenwart ermessen zu konnen,
welche Werte verlorengehen, wenn die Uber-
lieferung aus Mangel an sorgsamerund verstand-
nisvoller Pflege vom Unkraut derVerstandnis-
losigkeit und Entartung iiberwuchert wird.
Unsre Ausfiihrungen werden sich daher erstrek-
ken auf eine Darstellung der geschichtlichen
Nachrichten iiber dasWesen der Deposition und
ihre Entwicklung, wie sie sich aus den Bestim-
mungen in Innungsordnungen und den Deposi-
tionsspielen ergibt, um mit einem Blick auf die
in der j iingsten Ver gangenheit und in der Gegen
wart iiblichen Gebrauche zu schlieben.
Die beiden Bezeichnungen, unter denen die
Lossprechung der Buchdruckerlehrlinge und
ihre Aufnahme in den Gesellenstand in der
Literatur erscheint: Deposition und Postulat,
sind, wenn sie auch stellenweise gleichbedeu-
tend gebraucht werden, im Grunde genommen
doch nicht identische Begriffe. Die Depositio
(cornuum), die ihren Namen von dem Ablegen
der Horner, mit denen der Hut des Neuauf-
zunehmenden verziert war, erhalten hatte,
umfabt nur den Teil der ganzen Feier, der sich
mit der Darstellung der Aufnahmezeremonien
befabt, wahrend das Postulat die ganze Feier
einschlieblich der Yorbereitungen, die sich zum
Teil in der Werkstatt abspielen, und der auf
den Depositionsakt folgenden Festlichkeit in
Verbindung mit der Einsetzung in den neuen
Rechtsstand umfabt. Das Wort selbst bedeu-
tet die Forderung, in den Gesellenstand aufge-
nommen zu werden, die der Postulant, der
Forderer, an die Gesellenschaft seiner Offizin
und an den Ladenvater, den Obermeister der
Innung, richtet.
Die Nachrichten iiber die Entwicklung des
Postulats sowohl im allgemeinen wie in den
einzelnen Stadten sind sehr liickenhaft. Die
behordlich festgelegten Buchdrucker-Innungs-
Ordnungen sprechen sich selten dariiber aus.
Man erfahrt hochstens bei Gelegenheit von
Streitigkeiten diese oderjeneEinzelheit iiber die
Durchfiihrung des Postulats in der betreffenden
Zeit. Erst mit dem 18. Jahrhundert werden,
besonders als um die Mitte des Jahrhunderts
energischeReformbestrebungen einsetzen, auch
in der gleichzeitigen druckerischen Fachlitera-
tur die Erwahnungen haufiger und ausfiihr-
licher. Wir wollen versuchen, diesen ganzen
Fragenkomplex in enger Anlehnung an die lite-
rarischen Zeugnisse zu behandeln. Die Unvoll-
standigkeit des Materials erschwert eine allseitig
aufklarende Darstellung naturgemab nicht un-
erheblich und bestimmt ihre Grenzen.