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d e Vise:
Depositor
Ja wol/ nimb du eine seit war
Die ander ich auch durcbsucb gar.
Sieh da hie find ich ein Briefflein
Das ist zumal geschrieben fein
Was nu darin wird sein enthaltn
Solln bald erfabren Jung und Altn.
Knecht
Harr, harr, du lose Bosewicht,
Secbstu noch, Ick kan lesen nicht.
I, I, babbk all myn dag nich seen.
Haar, dar wilckek de haar vorteen.
(Der Depositor list die Vberschrifft des Brieffs welche
also lautet:)
Dem Erbarn und Kunstreichen jungen Ge-
sellen N.N.
Meinem herzallerliebsten zu behendigen.
Knecht
gibt jhm eine Maulschell sprechend:
Meister sebt doch thodegen an
Dissen stinckenden Horneman:
De leth sick nomen einen Geselln,
Un ys doch ein recht stinckend schelm.
Depositor:
Ey sih Bistu der schone Gsell?
Knecht
Darvor wilckek dicht teen dat fell.
Depositor
macht den Brief auff und list wie folgt:
Meinen freundlichen willigen
Zu jederzeit gefliessenen,
Von hertzengrund gewunscbten gruss,
Von der scbeitel bis auff den Fuss;
Wenns euch, mein Schatz, noch wol thet gehn,
Mocht ichs hertzlich gern horn und sehn:
R i s t
Depositor:
Wollan, du mein getreiister Knecht,
Du redest mehr denn all zu recht,
Wir wollens bald erfahren,
Nim du die rechter Tasch in acht,
BiB ich die Link' hab auffgemacht
Den wird sichs offenbahren.
(Knecht langet aus des Cornuten Tascben einen Brieff
herffir, und spricht mit Verwunderung:)
I dat dik nu de Qualm nich schlah
Kanst du nich Lesen, ook nich Skriven?
Sue, Matz van Kappadozia
So moht Ik di de Schnuhten wriven.
(Der Depositor lieset die Uberschrifft des Briefes, welche
also lautet:)
Dem Ehrenvesten, vielachtbahren und Kunst
reichen Jungen Gesellen, Herrn N. N. mei
nem Hertzallerliebsten Seelichen zu be-
handigen.
Knecht
gibt ihm eine brave Maulschelle, sprechend:
Hort Meister, diisse Flegelskop
De lett sik nohmen een Gesellen
Darvor moht Ik dem Dudendop
Een halff stieg' Ohrfiegn mehr tohstellen.
Depositor:
Ja wol Gesell! Ein Hornerman,
Der kaum die Stiefeln putzen kan,
Wer mag dich doch so liben!
Doch dieser Brieff sehr wol gestalt,
Der sol es mir entdekken bald
Er ist sehr fein geschrieben.
(Der Herr Depositor verlieset den Brief offentlich:)
Mein allerliebstes Hertz, mein Hoffnung Freud'
und Leben
Dem' ich biB in den Tod mich einzig hab' er-
geben,
Seid tausend mahl gegriisst von eiirer Schaffrin,
Welch ihren Lucidor liebt auB getreuem Sinn'.