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Zeit ihren Damen gegeniiber paroli di Poli-
philo anwandten, um sich ein besonderes
literarisches Ansehen zu geben. Yielleicbt hat
sich auch Diirer Leidinger halt es aber fur
unwahrscheinlich, und es bediirfte hier philo-
logischer Untersuchungen dieser Mode nicht
ganz entziehen konnen, als er »zu Fenedich
ein Tzentilam« geworden war, wie er scherz-
haft in einem seiner Briefe schreibt.
Leidingers Forschungen haben nun ergeben,
daB Albrecht Durer in seiner Bibliothek auch
das Werk selbst besaB, wenn auch nicht fest-
zustellen war, wann und wo er es erworben hat.
DaB es im Besitz Diirers war, ergibt ein Ein-
trag in dem Poliphilus-Exemplar der Bay-
rischen Staatsbibliothek »Emptus ex biblio-
theca Alberti DyreriAnno Domini 1555
Eras. Hock D«, der bisher noch von nieman-
den bemerkt worden war.
Das mochte bei einem Buche, das im Lauf
der Jahre in einer so stark benutzten offent-
lichen Bibliothek wie der Bayrischen Staats
bibliothek durch die Hande von Hunderten
von Gelehrten gegangen ist, stutzigmachen.
Aber der an sich schwer lesbare Eintrag findet
sich iiberdies an sehr versteckter Stelle: die
vier, den Anfang des Buches bildenden Blat
ter, auf denen der Dr. Erasmus Hock seinen
Eintrag machte, sind namlich am SchluB des
Bandes eingebunden und infolgedessen der
Aufmerksamkeit der Forscher bis jetzt ent-
gangen.
Leidinger priift eingehend die Glaubwiirdig-
keit des Eintrages selbst und kommt in dieser
Hinsicht zu einem bejahenden Entscheid. Wir
haben es tatsachlich mit Diirers Poliphilus-
Exemplar zu tun und da wir iiber Diirers
Bibliothek so gut wie gar nicht orientiert sind,
bedeutet dieseFeststellung einen erfreulichen
Beitrag zur Rekonstruktion der Diirer-Biblio-
thek, eine biicherkundliche Aufgabe, zu deren
Losung Leidinger noch einige Beispiele bei-
bringt, wenn es auch nicht in seiner Absicht
liegen konnte, hier diesen Rekonstruktions-
versuch weiter auszudehnen. Jedenfalls ware
diesesThema des Sch weiBes der F orscher wert.
Die Frage, welche Wirkungen die Hypnero-
tomachie und ihre bildlichen Darstellungen,
namentlich ihre Hieroglyphen, auf Diirer ge-
habt hat, beantwortet Leidinger durchaus
negativ: »die Holzschnitte der ,Hypneroto-
machia', so vorziiglich sie sind und so be-
deutsam sie fiir die Geschichte der italie-
nischen Graphik sein mogen, sind dem deut-
schen Meister an und fiir sich zu kalt und
zu niichtern gewesen, als daB sie auf seine
warmempfindende Seele einen besonderen
Eindruck hatten machen konnen«. Diirer habe
sich vielmehr bewuBt dem EinfluB Italiens
entzogen und sein Kiinstlertum sei immer
rein deutsch geblieben.
Die zweite Untersuchung Leidingers behan-
delt zwei »Miinchener Dichter des 14. Jahr-
hunderts«, namlich Heinrich von Miinchen
und Heintz Sentlinger, mit denen die ziinftige
Literaturwissenschaft sich bisher schwer ab-
gemiiht hat.
Nach jahrelangem Bemiihen gelang es Lei
dinger, fiir die Bayrische Staatsbibliothek
einen Kodex zu erwerben, der fiir die kiinf-
tige Erforschung von Leben und Werk na
mentlich Heinrichs von Miinchen von weit-
tragender Bedeutung sein wird.
Die Handschrift, eine gereimte Weltchronik
enthaltend, befand sich in Familienbesitz und
war damit der Forschung im wesentlichen
entzogen. Sie war entstanden auf dem Run-
kelstein und wurde vollendet im Jahre 1394
durch Heintz Sentlinger von Miinchen, der
die Chronik des Heinrich von Miinchen dort
abschrieb und einen Teil dazu dichtete.
Seit 1921 bemiibte sich Leidinger, diese fiir
Miinchen ganz besonders kostbare Handschrift
fiir die Bayrische Staatsbibliothek zu er
werben. Als die Besitzer die Handschrift 1926
offentlich ausbieten lieBen, setzte er alle amt-
lichen Hebel in Bewegung, um in den Besitz
des Werkes zu gelangen, aber vergeblich.