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kommen - ein Zeichen, wie stark in den bescheidenen
MaBen und Verháltnissen des Buchstabens die formgestal*
tenden und formbestimmenden Grundsátze der groBen
Kunst sich auswirken.
Wáhrend die Behrens ¡Schrift aus der Frühzeit die lineare
Herbheit eines geometrisch gerichteten Baustils aufweist,
ist die Kursive wesentlicb dekorativ empfunden. Ihre
Rundungen sind aus der Abschleifung der harten Bre*
chungen und Beugungen der ersten Schrift entstanden,
so daB ein rhythmischer FluB gebogener Linien in edlem
GleicbmaB die Zeile füllt. Ganz anders die Antiqua. Sie
ist eine ausgesprochene Architekten*Schrift. Wohl bat
Bebrens klassische Vorbilder eifrig und bewuBt studiert
und für die Antiqua wichtige Anregungen dem codex
argenteus entnommen. Aber seine Schrift ist in Zu*
sammenarbeit mit der facblichen und geschmacklicben
Erfahrung der SchriftgieBerei etwas ganzNeues geworden.
Wábrend die gleichzeitigen Antiquaschriften eine strenge
Gleichmáfiigkeit des Schriftkorpers, vor allem in den
Versalien, anstrebten, zeigt die Behrens* Antiqua bewuBt
ungleiche AusmaBe, um ein rhythmisch bewegteres Bild
zu erzielen. Mit Recht konnte daher auch die Schrift*
gieBerei in einem Geleitwort von „Antiquaformen des
germanischen Kulturkreises" sprechen, also von einer
deutschen Antiqua im Gegensatz zu den fremdlándischen
Formen, die damals auch in Deutschland den Markt be*
herrschten. Gerade die Anklange an die Unziale verleiben
der Schrift einen besonderen Reiz, sie hat etwas „Gemau<
ertes", eine Art Monumentalitát, wie sie nur wenige
Schriften erreichen.
Die wohl schonste Schrift ist die letzte. Behrens bat die
Mediával bereits 1909 entworfen, sie ist aber erst 1914
fertig geworden. Da sie kurz vor Kriegsausbruch erschien,
hat sie nicht die Beachtung gefunden, die sie verdiente.
GewiB verrát auch sie die sichere Hand des formenden
Architekten. Aber sie bat alie Strenge, die die vorangegan*
genen Schriften kennzeichnet, verloren. Die Mediával ist
von einer Anmut, wie sie kaum eine Schrift jener Zeit
aufzuweisen hat, zugleich aber hat sie eine edle und groBe
Form, so daB sie bei allem Liebreiz etwas wahrhaft Er*
habenes besitzt. Der Bau jedes einzelnen Buchstabens, vor
allem in den Versalien, trágt durchaus personlichen Cha*
rakter. Alie Schwere und Strenge, die der Antiqua*Schrift
entspricht, ist gewichen. Zarte Schwellungen in den Ge*
raden und Segmenten, lichte Abstriche in zierlicher
Schráglage, bewuBt vorgenommene Endverdickungen (wie
sie das empfindliche Pergament unter dem natürlichen
Drucke der Breitfeder des mittelalterlichen Buchschrei*
bers aufweist), fest hingesetzte Anstriche bei vielen Ge*
meinen, dazu der rhythmische FluB in Bogen und Schrág*
richtung aller Buchstaben - das alies ergibf ein selten
harmonisches Gesamtbild.
Die Schriften Peter Behrens' haben in vielen Offizinen des
In* und Auslandes ihren Einzug gehalten und werden zum
Teil auch heute noch gerne verwendet. Manche buch* und
druckgeschichtlich bedeutsamen Werke (z. B. des Ver*
lages Eugen Diederichs oder die gewaltige Festschrift zum
Kruppjubiláum von 1912, die ausgezeichnet gedruckte
Gedenkschrift für Emil Kirdorf usw.) umschreiben ihre
geschichtliche und bleibende Bedeutung. Wie gegenwarts*
nahe die Mediával ist, bewiesen groBe Einblattdrucke, die
das Schriftmuseum Blanckertz im Vorjahr in seiner ver*
dienstvollen Behrens*Ausstellung zeigte. Auch auf der
Pariser Weltausstellung wurden derartige Blátter viel
beachtet.
In den letzten 2 y Jahren hat Behrens keine neuen Druck*
schriften entworfen. Die baukünstlerischen Aufgaben be*
anspruchten ihn ganz. Aber wo immer er Architektur und
Schrift in Verbindung brachte, zeigte sich sein Verstánd*
nis und seine Liebe zu den Buchstaben, in deren voll*
endeter Gestaltung er den Ausdruck aller formbestim*
menden Grundsátze wahrer Kunst erblickte.
So ist es eine Ehrenpflicht aller, die mittelbar und un*
mittelbar der Schrift*, Druck* und Buchkunst dienen, des
Meisters an seinem Ehrentage zu gedenken, der wesent*
lich beigetragen hat zu dem hohen Stande, den die
Schriftkunst Deutschlands im Laufe dieses Jahrhunderts
erreicht hat.