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Dcutscher Buch- und Steindrucker
Schriftgiesserei-Neuheiten.
lie Besprecliung der Neuheiten in vorigem
Hefte konnten wir unter das Zeichen der
Handschriften setzen, dieser neuen Schrift-
art, welclie mit recht moderner Sclinellig-
keit in wenigen Monaten sich iiberall ein-
gefiihrt hat. Wir fiihrten im vorigen Hefte hierhei
unter anderm auch die deutsche "Hohenzollern"-Schrift
von Wilhelm Gronaus Schriftgiesserei in Schone-
berg-Bcrlin vor und sind heute in der Lage, nun
auch die laieinische Handschrift Germania in Ab-
druck vorzufiihren. Die Germania ist (gleich wie die
"Hohenzollern") ausdrucksvoll gehalten, ohne tiber-
hange gegossen und in den Anschliissen nicht empfind-
lich, weil iiberall da, wo es angangig war, der Grund-
strich so scliarf auf die vordere Kante geriickt wurde,
dass der "Anstrich" wegfallen konnte. Auf diese
Weise treten eventuelle kleine Liicken nicht stdrend
auf. Beide Schriften sind iibrigens Originalschnitte
der Firma; sie werden sich iiberall gut einfiihren.
Das Handfertige oder (gut deutsch ausgedriickt)
das Manuelle unter den setzbaren Ornamentierungen
vertritt das sogenannte Barock-Ornament. Es bildet
eine parallele Erscheinung unter den Ornamenten fur
das, was die Handschriften unter den Titelschriften
sind. Wahrend die bekannten stumpffeinen und feinen
Freiornamente melir oder weniger einen maschinen-
glatten Strich und in ihren Formen iiberall einen wohl-
ausgeglichnen Entwurf zeigen, der mit dem skizzenliaft
hingeworfnen Federstrich des Zeichners nicht zu ver-
gleichen ist, verwertet das Barock-Ornament gerade
jene reizvollen Details, welche die zeiclinende Hand
wie von selbst erzeugt. Die vorerwahnten Frei
ornamente reprasentieren also das "gestochne" oder
"geschnittne," die Barock-Ornamente dagegen das rein
zeichnerische Element. Bei dem augenblicklichen
Drange, Papier, Schrift und Dekoration mit den Alliiren
des gut handwerksgemassen, eben des "Manuellen"
zu versehen, war deshalb die Schaffung eines Orna
ments, wie es die Barock-Ornamente bilden, eine recht
dankbare Sache. In diesem Sinne schuf denn auch
Wilhelm Woellmer's Schriftgiesserei und Messing-
linienf abrik in Berlin SW. ihre verschiednen Barock-
linien, von denen bis jetzt sechs verschiedne Muster
vorlagen. Nunmehr ist noch ein neues Halbpetit-
Dessin hinzugekommen, und ebenso ist zu der so-
genannten Viertelcicero-Barocklinie Nr. 6 eine Serie
von Ornamenten geschaffen worden. Auf zwei Bei-
lagen fiihrt die genannte Firma in vorliegendem Hefte
diese Neuheiten vor. Beide Blatter zeigen das Reiz-
volle dieser neuen Ornamentserien in bester Weise;
sie beweisen, dass die Barock-Ornamente, wenn die-
selben in so universell gezeichneten Figuren und dabei
in weiser Beschrankung der Anzahl gegeben werden,
thatsachlich das unentbehrliche Kleinmaterial zum
modernen "Frei"-Ornamentieren bilden. Dabei er-
schopfen dievorliegenden zweiBlatter die Anwendungs-
moglichkeiten natiirlich keineswegs, dies thun auch
noch nicht weitre Blatter und Anwendungen, die uns
vorliegen. Trotzdem erubrigt es sich, beschreibend auf
die Anwendungsweisen der Figuren einzugehen; sie
schliessen sich in der Hauptsache den bisherigen
Woellmer'schen Ornamenten an und die Auslaufer,
Ecken, Mittel- und Wendestiicke, die Aufsatz- und
Bliitenstucke gehen gewissermassen von selbst an
ihren Platz. Neu auf den beiden Beilagen ist schliess-
lich noch ein "punktierter Untergrund," der auch bei
einfarbigen Arbeiten zur Erzielung geschlossner
Flachenwirkungen iiberall angewendet werden kann.
Die Schriftgiesserei Otto Weisert in Stuttgart
versendet die "siebente Folge" ihrer Neuheitenhefte
und tritt mit dieser zugleicli in die Moderne ein.
Das Heft fiihrt auf 32 Seiten zunachst die "Ameri-
kanische Altgotisch" in alien Graden vor, zeigt eine
"NeuesteReklameschrift" in einergeschicktenMischung
von kraftigen Grotesk- mit Pinselschriftcharakteren
und fiihrt dann eine ausgezeichnet geschnittne Serie
von modernen Initialen vor, auf Schrotgrund mit
negativ gehaltnen stilisierten Pflanzenformen. Eine
Reihe ausgewahlter moderner Vignetten in grazioser
Linienfiilirung beschliesst den eigentlichen neuzeit-
lichen Inhalt. Des weitern enthalt das Heft aber
noch einige Komplettierungen: eine schmale runde
Grotesk in alien Graden und eine Reihe effektvoll
gezeiclineter Redlinings-, Fakturen- und Nota-Vignetten.
Die Schriftgiesserei Otto Weisert hat selbstverstand-
lich auch in der Frage der Handschriften-Erzeugung
sofort Stellung genommen und in ihrer Stempel-
schneiderei einen eignen, etwas nach links liegenden
Stahlschnitt gefertigt, den sie unter dem treffenden
Namen Briefschreibschrift in Anwendungen vorfiihrt.
Die Schrift wirkt ausserordentlich ruhig und deutlich,
ist kraftig in den Anschliissen, hangt nicht iiber und
bietet sich in vier Graden: Cicero bis Doppelmittel an.
Ausland. Die American Type Founders Co. in Boston
schickt Proben einer neuen, kupferstichartigen Schreib schrift:
"American Script Series", sowie zweier Garnituren Merkantil-
Versalien, mit breiten Schraffirungen im reinen Antiqua-Charakter.
Aus Japan liegen auch heute neue Proben graphischer
Tiichtigkeit vor. Die Tokyo Tsukiji Type Foundry hat uns das
Januarheft ihrer Schrift- und Einfassungsneuheiten iibersendet,
das neben japanischen Schriften in alien Grossen auch Antiqua-
schriften (Blockversalien) enthalt und eine iiberaus sorgfaltige
Arbeit erraten lasst. Dem Heft liegt auch eine Illustration s-
kunstbeilage in Doppelquartformat bei, ein japanisches Madchen
darstellend, mit schwarzen Schonheitsfleckchen auf Stirn und
Wangen, und mit dem fein gestickten Taschentuch sich die
Nase reibend, was vielleicht einen japanischen "Guten Tag"
darstellt? Das Blatt ist in kompletter Farbenskala augenscheinlich
vom Stein gedruckt. Aber auch ein typographisches Meisterstuck
ging uns von derselben Firma zu: ein japanischer Kalender in
Quartformat mit vieler zierlicher Schrift und mit reichem,
ornamentalen Schmuck, in mosaikartigen Mustern allerlei Art.
Der Kalender bildet durch die Unzahl der verwendeten Ein-
fassungsttickchen (meist auf Nonpareille und Cicerogeviert), vor
allem aber durch die exakte, sich in allerfeinste Detailwirkung
ergehende Druckausfiihrung ein wirkliches Meisterwerk. Wir
z&hlten etwa 14 Deck- und Tonfarben, die samtlich vorziiglich
stehen. Wir gratulieren der Tokyoer Firma zu solchen Leistungen