Okt. 1923
DEUTSCHER BUCH- UND STEINDRUCKER
29
Eine Stimme aus Amerilia.
Verne unb viele anbere. In Deutschlanb gaben sich
nur Kiinstler britten ober vierten Ranges mil bem
Musiktitel ab ober Genies in ihren Anfangsjahren. So
besitzen wir zwei Notentitel von Menzels Hanb, bie
er als Siebzehnjahriger schuf. Der Berliner Zeichner
Dorberg versuchte burch Farben zu wirken, ahnlich
wie wir es beim Plakat gewohnt sinb. Anfangs Hanb-
kolorierung, spater Druck VonzurWesten gab neben
bieser historischen Entwicklung bes Musiknotentitels
manch belehrenbes unb lustiges Wort unb ging bann
elwas naher auf unsere heutige Zeit ein. Durch Hohl-
wein in Miinchen unb Bernharb in Berlin kam bie
Plakatkunst zu Ansehen, unb bas Suggestive berselben
beeinfluBte audi ben Musiktitel. Fingerfertige Leute
erfiillten jeben Wunsch aber nach unb nadi wurben
sie aufbringlidi. Unb seltsam, sleht man heute vor
einem MusikalienlaSen unb betrachtet bie ausgestellten
Drucke, so brangen sich bie Worte vor abscheulich!
Im Gegensatz zur Buchkunst. Hier wirb erst eine
Anberung eintreten, wenn bas bibliophile Streben bes
Publikums wie beim Buch audi beim Musikbrudc zur
Geltung kommt. Einige Verleger haben ben Tiefstanb
schon erkannt unb Kiinstler ersten Ranges heran-
gezogen. So unter anbern ber Jatho-Verlag, Berlin,
unb als Kiinstler Avenarius, Wiertz, Orlik. Reicher
Beifall bekunbete, baB bie Anwesenben mit Interesse
ben Ausfiihrungen gefolgt waren, unb als ber Vor-
sitzenbe eine kleine Pause eintreten liefi, bamit bie
prachtvolle Ausstellung eingehenb gewiirbigt werben
konnte, brangte alles zu ben Tafeln unb Bilbern.
Durch Rezitation bes „Liebes von ber Liebe" unb
Vortrag einiger Musikstiicke unb Lieber wurbe ber
Festabenb geschiossen. aew.
Typographische Vereinigung Koln. AnlaBlich
ber fiinfzigsten Griinbungsfeier ber Vereinigung ist bas
Septemberheft ber „Typographischen Mitteilungen" in
Koln burch ben bekannten Gewerbelehrer J. Erbar
ausgestattet unb bei M. DuMont Schauberg gebruckt.
Der Kolner Verein kann sich zu ber vornehmen Fest-
brucksache als Erinnerungsgabe begliickwiinschen. Der
Bronzeaufbruck ber ersten Umsdilagseite verliert an
Wirkung auf bem zu hellen Karton, bafiir aber springt
ber Riicken Schwarz-Weifi-Rot unb Sdiwarz-WeiB-Golb
besto kraftiger ins Auge. Was aber bas Personal ber
Druckerei bes Bilbungsverbanbes bazu sagen wirb,
wenn biese Abwanberung ber Drucklegung ber,,Typo-
graphisdien Mitteilungen" haufiger werben sollte, wirb
wohl ein Kapitel fiir sich sein. Abgesehen von bieser
Erwagung: Koln hat sich angestrengt; vor allem auch
ber unsern Lesern bekannte Georg Domel, ber im
Heft einen interessanten Aufsatz iiber bie Geschichte
bes Buchbrucks in Koln schreibt. Sehr beherzigens-
werte Ausfiihrungen madit auch Hermann Miitler iiber
Beruf unb Charakter. Verbunben mit ber Feier war
eine Ausstellung alter Kolner Drucke aus bem 15.,
16. unb 17. Jahrhunbert.
Ein Weltbureau ber Buchbruckereibesitzer.
Mr. R. A. Austen-Leigh, ber englische Delegierte zum
Internationalen Buchbrucker-KongreB in Gotenburg,
empfahl bort in einer Rebe bie Griinbung eines Welt-
bureaus, bas auch ein Nachrichtenblatt herausgeben
soli. Er erwahnte babei, baB ber Leiter bes Bureaus
journalistische Fahigkeiten besitzen unb auch geniigenb
Fachmann sein mtisse, um Nachrichten von Wert unter-
scheiben zu konnen. Auch bebinge ber Posten Sprach-
kenntnisse, unb beshalb glaube er, baB Englanb keinen
Bewerber stellen konne. Nichts geht iiber eine gute
Schulbilbung in Verbinbung mit ber Sdiule bes Lebens.
Fur Europamiibe. Die Deutsch-Amerikanische
Buchdrucker-Zeitung sieht sich gezwungen, wieberum
eine langere Warnung an bie auswanberungslustigen
beutschen Kollegen in Europa zu richten, ba fiir sie
in Amerika im Beruf so gut wie gar keine Aussicht
auf Beschaftigung vorliegt. Im ganzen Arbeitsgebiet
bes Deutschamerikanischen Buchbruckerverbanbes er-
scheinen nur nodi 18 tagliche beutsche Zeitungen, bie
aber meist nur ein kleines Personal beschaftigen. In
ben groBen Zeitungen ist voiles Personal vorhanben,
bas aber bei ber geringen Zahl von Stellungen biese
entschieben festhalt. Audi existieren ganze Listen von
Aushelfern, auf benen Anwarter seit Jahr unb Tag
eingetragen sinb, bie auf eine freiwerbenbe Stelle
reflektieren. Deutsche Werk- unb Akzibenzbruckereien
gibt es in Amerika so gut wie gar keine mehr. Der
Hanbsatz ist fast ganz verschwunben, unb Kollegen,
bie keine Maschinensetzer sinb, haben absolut keine
Aussicht auf Arbeit. Audi Drudcer unb Maschinen-
meister konnen nicht barauf rechnen unterzukommen,
ba bie Nationalunion ausschlieBlich Anglo-Amerikaner
unb Irlanber unterbringt. Trotz aller Warnungen
nimmt aber bie Einwanberung beutscher Setzer ganz
bebeutenb zu. AuBer ben taglich zureisenben Kollegen,
bie meist Hanbsetzer sinb, kommen briiben Dutzenbe
von Briefen aus Deutschlanb an von Leuten, bie alle
nach Amerika kommen mochten. Viele barunter er-
bieten sich sogar, bie Uberfahrt abzuarbeiten, unb
audi bie Zeitungsrebaktionen werben mit solchen An-
geboten iiberschwemmt. Von bem Kontraktarbeiter-
Gesetz, bas bie Einwanberung eines Arbeiters ver-
bietet, ber bereits ein Engagement nach Amerika an-
genommen hat, scheint man in Deutschlanb keine
Ahnung zu haben. Die Buchdrucker-Zeitung teilt mit,
baB es unmoglich ist, alle Briefe zu beantworten, unb
weist barauf hin, baB bie meisten Leute, bie kommen,
birekt in ihr Ungliick gehen. Ein markantes Beispiel:
Die Schwester will ihren 49jahrigen Bruber als Schrift-
setzer in ber Staats-Zeitung unterbringen „unb wenn
er auch ganz von vorn anfangen miiBte". Man kann
eben mit 49 Jahren nicht mehr von vorn anfangen
Das Beste fiir jeben, ber trotzbem nach Amerika geht,
ist, sich gar nicht erst zur Mitgliebschaft bei ber Buch-
bruckerorganisation vorschlagen zu lassen, sonbern
es lieber gleidi mit einem anbern Erwerbszweig zu
versuchen. Natiirlich ist biese Starke Einwanberung
beutscher Setzer in erster Linie auf Unkenntnis ber
amerikanischen Verhaltnisse zuriickzufiihren, bie noch
burch gelegentliche Notizen in europaischen Fachblattern
vermehrt wirb. „Ausgefullt ist jeber Marktplatz unb
umworben jebesTor" mufi man leiber mit bem Dichter
sagen, unb wir raten entschieben ab, vielleicht bas
letzte Gelb barauf zu verwenben, um bie teuren
fcJberfahrtskosten zu bestreiten, in ber Hoffnung, eine
bessere Heimat zu finben. Man finbet briiben alle
Tiiren verschlossen, unb bas Eleiib wirb noch groBer
als in ber alten Heimat.
Die alteste typographische Fachzeitschrift ber
Welt. Chronologisch setzt naturgemaB bie periobische
Literatur ber Buchbruckerkunst zuerst ein. Das alteste
typographische Journal, Der Buchdrucker, eine „polemi-
sierenbe Wochensdirift", wurbe 1766 von Joh. Lubw.
Sdiwarz, bem Faktor ber Buchbruckerei von R. Benekens
Wwe. in Hamburg, erstmalig herausgegeben. Die
Gesamtausgabe erschien in Leipzig. Ein Exemplar
befinbet sich in ber Bibliothek bes Vereins ber Berliner
Buchbrucker unb SchriftgieBer.