GRAPHISCHE FEIERSTUNDEN
Die allesten cLeuIsctien Zellun^en Dohmens
Nummer 1 BEILAGE Oktober 1923
ZUM DEUTSCHEN
BUCH- UND STEINDRUCKER
UNTERHALTUNGSBLATT FUR
ANGEHORIGE UND FREUNDE
DES DRUCKGEWERBES
SCHRIFTLEITUlfG UND GESCHAFTSSTELLE BERLIN SW 61, TELTOWER STRASSE Nr. 32
L; ose Druckblattchen, bekannt unterbemNamen
„Newe Zeittungen", die seit bem Ausgang
bes Mittelalters in alle Welt hinausflatterten,
fanben auch in Bohmen friihzeitig Aufnahme. Ja,
ihrem Aufkommen war ber Boben hier, wo bie
protestantisdie Bewegung sehr um sich griff, be-
sonbers gunstig. Wie bas Lanb bamals im Mittel-
punkt bes europaischen Interesses stanb, so wurbe
es auch balb ein Zentrum ber Journalistik selbst-
verstanblich im bamaligen Sinn. Die langst be-
kannten Kalenber unb bie halbjahrlich wieberkehren-
ben Messekataloge mochten bie ersten Vorbilber
gewesen sein. Unb gewifi hat auch Wien, bas im
Zeitungswesen jenerZeit eine Rollespielte, Bohmen
stark beeinfluBt. Soli boch bie erste bisher be-
kannte Zeitung„Begencknus KayserlicherMaiestat",
bie von bem am 7. Dezember 1493 erfoigten Be-
grabnis Friebrichs III. berichtet, aus ber Presse
bes Wiener Buchbruckers Hanns Winterberger
hervorgegangen sein.
DreiBig jahre spater begegnen wir ben ersten
Zeitungen, bie fur Bohmen bestimmt waren. Einzel-
brucke in Versen unb in Prosa, unterschieben sie
sich burchaus nicht von ben anbern „Relationen"
bes beutschen Sprachgebietes. Sie berichteten bas-
selbe, was fruher bie fahrenben Sanger unter bie
Leute gebracht hatten Wahrheit unb Luge,
Wichtigesunb Kleinliches sie wahlten auch ben-
selben Ton wie jene Bankelsanger unb gaben ber
gebunbenen Rebe vor ber bamals trockenen, weit-
schweifigen Prosa meist ben Vorzug. Auch im In-
halt waren sie von ben lebenben Zeitungen bes
Mittelalters abhangig: Hoffeste, Naturereignisse,
Raubergeschichten, Hexenprozesse, Hinrichtungen,
jubenhetzen, Kriegsabenteuer unb anberes mehr
bilbeten ihre Hauptthemen.
In Bohmen selbst ist kaum mehr etwas von
biesen Zeitungen zu finben. Es erging ihnen
wie ben iibrigen literarischen Erzeugnissen ber
Deutschen im Lanbe. Weil ihr geistiges Schaffen
von ber Reformation burchweht war, hat man mit
beginnenber Rekatholisierung nach ber Schlacht
am WeiBen Berge (1620) biese Spuren mit alien
Mitteln zu vernichten getrachtet. Die letzten Reste
sinb in alle Welt zerstreut, unb namentlich bie Museen
unb Bibliotheken in Niirnberg, Augsburg, Zwittau,
Berlin, Breslau unb Zurich bieten einiges Material.
Die alteste gebruckte beutsche Zeitung hat bie
Uberschrift „KonigI. May. zu Behem unb Ungern
Zug vnb einreitten auff bie Cronung gen Prag 1527"
(Niirnberg, Germanisches Museum). Ein burftiger
Prosabericht fiber biese Begebenheit, vielleicht von
Heinrich Steiner in Augsburg, ber Bohmen bamals
auch mit anberer geistiger Nahrung versorgte, ge-
bruckt. Aus bieser Druckerei ging bestimmt bie
nachste Zeitung hervor, bie in 4U auf 42 Seiten ben
Branb bes koniglichen Schlosses auf bem Hrabschin
(11. juni 1541) schilbert unb in einem Holz-
schnitt (Seite 13) barstellt (Niirnberg, Germanisches
Museum). Zwei jahre spater erschien bei Hans
Kohl in Regensburg eine „Gar Wunberbarliche
newe zeytung", bie von Wunberzeichen am Himmel
berichtete, bie man am 4. juni 1543 „im Wisen-
thal nahent bey S. Joachimsthal" gesehen hatte
(Munchen, Hofbibliothek).
Auch fernerhin blieb bas beutsche Auslanb ber
Verleger ber fiir Bohmen bestimmten Zeitungen.
Solche wurben gebruckt von johann Anton Ulhart
in Ulm „bey bem Kornhaus" (1571); bei Matlheus
Pfeilschmibt zu Hoff in Bayern (1573); von
Ambrosius Fritsch in Gorlitz (1579); von Hans
Weygel zu Niirnberg „in ber Hot gassen" (1580);
von ber Katharina Gerlachin (1582) unb von Leon-
harb HeuBler (1592) beibe gleichfalls in Niirn
berg. Auch bei einem Valtin Kroner, bessen Arbeits-
ort aus ben Katalogen nicht ersichtlich ist, erschien
im jahre 1574 eine „beutschbdhmische" Zeitung
unb schlieBlich 1596 eine solche in einer Druckerei
zu Hamburg, beren Besitzer nicht genannt ist.
In ber zweiten Halfte bes Jahrhunberts gewann
bas Zeitungswesen immer mehr an Bebeutung.
Sehr viele einheimische Drucker, bie bie beutsche
Literatur pflegten, wanbten auch ben newen Zeit
tungen ihre besonbere Aufmerksamkeit zu, unb
man muB sagen, baB sie sich, was Ausstattung
unb Inhalt anbelangt, mit ihren Lehrmeistern in
Deutschlanb messen konnten. Die erste, in Bohmen
selbst gebruckte Zeitung stammt aus bem jahre
1570. Sie berichtet von ber Hinrichtung zweier
Morber „zu Evanzitz (Eibenschitz bei Briinn) im
Lanb zu Marhern, bie 124 Morbt gethan haben",
unb wurbe von Georg Daschitzky in Prag gebruckt,
ber sie „auB Behemischer Sprach in bas Deutsch
gebracht" (Niirnberg, Germanisches Museum). Aus
Von Dr. Gustav Haas