GRAPHISCHE FEIERSTUNDEN
Die SpielKarten
Numtner 2/3 BEILAGE Dezember 1923
ZUM DEUTSCHEN
BUCH- UND STEINDRUCKER
UNTERHALTUNGSBLATT FUR
ANGEH0RIGE UND FREUNDE
DES DRUCKGEWERBES
SCHRIFTLEITUNG UND GESCHAFTSSTELLE BERLIN SW6I, TELTOWER STRASSENr.32
Der Spielkarten geschieht schon in einigen
Sagen der Inder und Chinesen Erwahnung;
in Europa kamen sie erst gegen Ende des
13. Jahrhunderts, und zwar in Italien zum Vor-
schein unter dem Namen „Naibi", ein Wort, das
an ein ahnliches indisches erinnert, das „Wahr-
sagen" bedeutet. Wahrscheinlich wurden die Spiel
karten durch die Araber nach Europa gebracht,
nicht, wie vielfach angenommen wird, durch die
Zigeuner, da diese bekanntlich erst zu Beginn des
15. Jahrhunderts einwanderten. Die altesten Spiel
karten, die uns erhalten geblieben sind, stammen
aus dem 14. Jahrhundert und werden im Britischen
Museum zu London aufbewahrt. In der Hand-
schriftenabteilung dieses Museums befindet sich
auch eine in lateinischer Sprache geschriebene Ab-
handlung iiber die moralische Seite des Karten-
spiels von Frater Johannes aus Rheinfelden (bei
Basel), aus der man ersieht, dab der Verfasser es
im Jahre 1377 kennen lernte. Wann, wo und durch
wen es erfunden sei, wisse er nicht, gesteht der
Frater ein und fiigt hinzu: „aber ich behaupte, dab
es dem Adel und andern Leuten, die Mube haben
und keinen Schaden damit anrichten konnen, von
Nutzen ist, besonders wenn sie nicht urn Geld
spielen und sich anstandig dabei betragen." Wir
erfahren ferner von dem Autor, dab es zu seiner
Zeit schon verschiedene Spiele mit bestimmten
Regeln gab, und dab man mit 52 Blatt spielte, in
denen Konige oder Koniginnen mit Marschallen
und Buben allein oder zusammen herrschten.
An Hand von Berichten labt sich indessen nach-
weisen, dab die Inder schon bedeutend frfiher mit
Bildern und Zeichen geschmiickte Blatter im Ge-
brauch hatten, die sie jedoch vielfach zum Wahr-
sagen mibbrauchten. Die orientalischen Spielkarten
bestanden aus Tafelchen von Holz oder Elfenbein,
auf die Figuren gemalt waren; in Europa madite
man die ersten Karten von starkem Papier, charta,
daher der Name.
Die altesten italienischen Spielkarten hatten zu
Bildern: Kelch, Pfennige, Schwerter und Stocke
auf den Stand der Geistlichen, Handel- und Ge-
werbetreibenden, Krieger und Bauern hindeutend.
Im mittelalterlichen Italien iibte man das sogenannte
Tarote (ein dem heutigen Tarock ahnliches Spiel).
Fur gewohnlich bestand das Tarote aus 40 bis
50 Karten. Auf denselben pflegten fast stets Kaiser,
Konig und Papst abgebildet zu sein, dem sich das
Hofgesinde (Ritter, Narren usw.) anschlob. Auch
Sonne, Mond und Kometen sind vertreten, des-
gleichen blitzschleudernde Wolken und heftige
Regengfisse. Auch komische allegorische Dar-
stellungen fehlen nicht, die die Gefahren der Spiel-
sucht auf das drastischste schildern. So sieht man
auf einem Blatt einen verlotterten Kerl mit den
Karten in den Fingern seinen leeren Geldbeutel
betrachten. Vor ihm stehen Frau und Kind, arm-
lich gekleidet und weinend. Etwas abseits von
dieser Gruppe ragt ein Galgen in die Hohe, auf
den eine frei in der Luft schwebende Hand hin-
weist. Darfiber befindet sich in italienischer Sprache
die ernste Mahnung: „Achte, dab du dort nicht
endest." Ein anderes Bild zeigt eine widerliche
Raufszene. Die Spieler sind iiber die Karten in
einen Streit geraten und bearbeiten sich kraftig
mit Messern, Weinkriigen und den Fausten; mit
freudiger Gier raffen einige Dirnen vom Boden
die herabgerollten Geldstficke auf, wahrend ein
paar ehrsame Burger fiber die Szene ihrem Ab-
scheu Ausdruck verleihen.
Die franzosische Karte wahlte zu Spielbildern
einen Backstein carreau (Eckstein), ein Klee-
blatt trefle, ein Herz cceur, und eine Lanzen-
spitze pique. Die vier Konige wurden als
David, Alexander, Casar und Karl der Grobe be-
trachtet und sollten die Reiche der Juden, Griedien,
Romer und Franken bezeichnen. Die Koniginnen
hieben Argine, Esther, Judith und Pallas (Athene)
und sollten die hohe Geburt, Frommigkeit, Tapfer-
keit und Weisheit andeuten. Die Buben waren
Knappen oder Schildtrager. Die deutschen
Karten haben das Daus (Ab), den Konig, den Ober,
den Unter. Von den Deutschen wurde, aus Frank-
reich importiert, das Kartenspiel so leidenschaftlich
aufgenommen, dab schon 1321 Verbote dagegen
erlassen werden mubten. Bereits im Jahre 1388
ergingen in Nfirnberg und einige Jahre spater in
Ulm Verbote. Uberhaupt wendeten sich um jene
Zeit in Deutschland und besonders Sfiddeutschland
Geistlichkeit und Obrigkeit gegen den Spielteufel
und gegen das Kartenspiel. Schlieblich hatte aber
jede kleine Stadt ihre Kartenmacher, und die Karten-
steuer wurde schon in den altesten Zeiten erhoben.
Kulturgeschichtliche Plauderei
o Walter ThielemannBerlin