v
Dez. 1923 DEUTSCHER BUCH- UND STEINDRUCKER 143
Neue Biictier fur den Weilmactitstisch
Goethe als Wegbereiter Hebins. Im Anhang
zu seinem Westostlichen Diwan hat Altmeister Goethe
hervorgehoben, baB wir aus Reiseerzahlungen groBte
Vorteile unb herrliche Belehrung Ziehen, unb er nannte
mehrere Manner, burch beren Augen er jene weit
entfernten, hochst frembartigen Gegenstanbe seit vielen
Jahren betrachtet hat. Vor allem war es bie aben-
teuerlidhe Gestalt bes romischen Patriziers Pietro bella
Valle, bessen Reisebeschreibung Goethes Dichtung erst
ben eigentiimlichen Grunb unb Boben schuf. Noch
einige anbere Namen fiihrt Goethe an, bie ebenfalls
bazu beitrugen, ihn mit bem Geist bes Orients zu
erfiillen. Alle biese Manner sinb uns trotz ihrer von
Goethe hochgeriihmten Verbienste fremb geworben.
Es ist ein eigenartiger Zufall, ber nicht genug begriiBt
werben kann, bafi kein Geringerer als Sven Hedin,
ber erste Kenner Asiens, biesen Gestalten, zu benen
Goethe voll Verehrung aufschaute, neues Leben ein-
flofite. Sein Werk „Verwehte Spuren", bas soeben
bei Brockhaus in prachtiger Ausstattung erschienen ist,
macht uns mit jenen Mannern bekannt. Das Buch
bietet aber viel mehr. Inbem Sven Hebin bestrebt
ist, bas Leben eines seiner Vorganger zu enthiillen,
ber ben ganzen Orient bis tief hinein nach Persien
auf jahrelangen Reisen kennengelernt hat, zaubert
seine Meisterhanb ein farbenprachtiges Gemalbe bes
Orients bes 17. Jahrhunberts, insbesonbere Persiens,
hervor. Dieser Vorganger war ein schwebischer Ebel-
mann aus uraltem Geschlecht, Herr Bengt Bengtsson
Oxenstierna, ber Reise-Bengt, wie man ihn seiner
vielen Reisen wegen in ber Heimat spottisdierweise
genannt hat. Nicht weniger als 67 beutsche Stabte
hat ber Reise-Bengt kurz vor bem DreiBigjahrigen
Krieg unb wahrenb bes Krieges besucht. Auf ber
Universitat Rostock hat er seine Bilbung fur bas Leben
unb audi ben Antrieb fur seine Reiselust empfangen.
Da seine Lanbsleute seinen Erzahlungen wenig Glauben
schenkten, entschloB er sich, bas Tagebuch iiber seine
langjahrigen Reisen nicht in Druck zu geben; heute ist
bie wichtige Hanbschrift versdiollen, verweht sinb bie
Spuren bes schwebischen Reisenben. Immerhin sinb
geniigenb Anhaltspunkte vorhanben, bie es Sven Hebin
bei seiner burchbringenben Kenntnis bes ganzen Orients
erlaubten, bas Tagebuch bes Reise-Bengt im Geiste
wieber herzustellen. In abenteuerlicher Reise geht es
burch Kleinasien iiber Bagbab in bas Reich Schah
Abbas' bes GroBen, einer Helbengestalt jener Zeit,
bie Goethe mit Peter bem GroBen unb Friebrich bem
GroBen vergleicht. In seiner orientalischen Urwiichsig-
keit unb in seinem uberraschenb hohen Gebankenflug
steht ber Beherrscher Persiens in Hebins Buch lebenbig
vor uns.
Kostlich ist bie Anhanglidikeit, bie ber Reise Bengt
seiner „herzlieben" Sdiwester Sigrib beweist, sowohl
als Stubio als audi spater auf seinen weiten Reisen.
Leiber klingt iiberall bas alte Lieb hinein: ..Schicke
Gelb, schicke es schnell, schicke aber kein beutsches
Gelb, benn bafiir bekommt man nicht viel!" Nach
seinen Wanberjahren ernannte ihn Gustav Abolf zum
Gouverneur von Augsburg, fiir bas ber Reise-Bengt
stets eine besonbere Vorliebe hatte; spater wurbe er
Generalgouverneur von Livlanb. Er verwaltete bas
von RuBlanb unb Polen stanbig bebrohte Lanb nach
streng rechtlichen Grunbsatzen, unb in seinen Verorb-
nungen kiimmerte er sich audi um bie Erhaltung guter
Sitten unb traf sogar Bestimmungen, wie bie Bauern
zu freien unb Hochzeit zu halten hatten.
Wie es sich fiir ein Memoirenwerk gehort, lernen
wir bie Gesdiichte seiner Ehe kennen unb auch bie
spateren Lebensjahre seiner Witwe aus bem beriihmten
Geschlecht ber Brahe, bie trotz ihres Alters noch auf
verschiebene beutsche Fiirsten Einbruck machte.
Ein gliickliches zufriebenes Volk ist eine groBe
Seltenheit. Trotz ber unwirtlichen Natur ihrer Heimat
konnen bie Eskimos sich ber Zufriebenheit riihmen.
Dies lehren uns nicht nur bie neuesten Forscher, auch
ber banische Geistliche Hans Egebe, ber im Anfang
bes 18. Jahrhunberts lebte unb ber als ,,Apostel ber
Gronlanber" bie Eskimos mit ben Segnungen bes
Christentums bekannt zu machen suchte, hat bie Gut-
miitigkeit unb Naivitat bieser Heiben, aber audi ihren
unabhangigen Sinn griinblich kennengelernt. Er hat
bariibersehr interessante Aufzeichnungen hinterlassen,
bie fiir bie Lanber- unb Volkerkunbe Gronlanbs von
hohem Wert sinb. Es ist barum sehr zu begriiBen,
baB Brockhaus in seine wertvolle Sammlung „Alte
Reisen unb Abenteuer" audi bie Beschreibung Gron
lanbs aufgenommen hat, bie Hans Egebe geschrieben
unb sein Sohn unb Nadifolger Paul erganzt hat. Das
Buch ist mit zahlreichen alten unb neuen Abbilbungen
aus bem Leben ber Gronlanber ausgestattet. Es
scheint eine schwere Aufgabe zu sein, in einem Lanb
nahe bem Pole mitten in Nacht unb Eis zu leben,
unb man mochte glauben, baB Lanb unb Meer nur
eine mehr als kargliche Nahrung bieten konnen. Die
Eskimos sinb aber ein ausgezeichnetes Beispiel baftir,
baB bie Lanber am Norbpol burchaus nicht so menschen-
feinblich sinb, unb wo man auch Egebes Beschreibung
aufsdilagen mag, tritt einem klar entgegen, baB bie
Eskimos sich ihres Lebens freuen, unb ber Schalk
sitzt ihnen gar arg im Nadcen. Das hat Hans Egebe
bei seinen Prebigten manchma! erfahren miissen, wenn
ihn bie Eskimos gefragt haben, ob er nicht balb auf-
hore. Es muBte ihnen am Arm zeigen, wie lang bas
Stuck sei, bas er noch zu prebigen habe, unb seinem
Sohne haben sie gar, wenn er in ber Kirche ein
frommes Lieb sang, einen naBen Hanbschuh vor ben
Munb gehalten, bamit er nicht weiter singen konnte.
Dieser Banb ber trefflichen Sammlung ist nicht nur
sehr lehrreich, sonbern auch amiisant zu lesen, unb
man gewinnt unwillkiirlich Hochachtung vor bem kleinen
Volke ber Eskimos, bafi sich im Kampfe mit ber Natur
tapfer zu wehren weifl. Dafi nebenbei im Vergleich
mit ben Eingeborenen bes Lanbes iible Streifliditer
auf bie Europaer fallen, soil nicht verschwiegen sein.
Brockhaus vermittelt uns in seiner bekannten
Sammlung „Reisen unb Abenteuer" unter ber Fiihrung
bes bekannten Afrikaforschers unb Kolonialgeographen
Geheimrat Hans Meyer in bem Banb Hochtouren im
tropischen Afrika eine Hohenwanberung in Afrikas
hodister Bergwelt. Wie es sich geziemt, gilt bie
Besteigung in erster Linie bem hochsten Punkte bes
schwarzen Erbteils, ber bis zum Weltkrieg auch ber
hochste Punkt bes Deutschen Reidis war unb ber
mehr als bie boppelte Hohe ber Zugspitze hat. Aus
ber heiBen Steppe steigen wir burch einen bichten
Urwalb iiber bie Baumgrenze, um bort Lager zu
schlagen fiir bie Ersteigung bes Gipfels bes eisstarren-
ben Kibo (6010 m) unb bes in Felsstiirme aufgelosten,
ben Subtiroler Dolomiten ahnelnben Mawensi.
Bergsteigen ist in Afrika nicht so bequem wie in
ben Alpen, wo bie Vereine reichlich fiir bequeme