KLUCHEES-BUSSE& PFEFFERKORH-LEIRZIC
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DEUTSCHER BUCH- UND STEINDRUCKER
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Unterkunft gesorgt haben; Abenleuer aller Art unter-
brechen ben regularen Gang ber Besteigung, bei ber
sich ber Forscher als unerschrockener Fels- unb Eis-
ganger erweisen muB. Auf bem hochsten Punkt bes
Kibo pflanzte Hans Meyer als erster Deutscher bie
Reichsflagge auf. Fast nodi eigenartiger als bie Be
steigung bes Kilimanbjaro war bie Bezwingung bes
Vulkans Karissimbi, im auBersten Norbwesten von
Deutsch-Ostafrika. Erst im letzten Drittel bes vorigen
Jahrhunberts fiel ber erste Blick eines europaischen
Forschers aus weiter Feme auf ihn. Sein Entbecker
vernahm zu seinem Erstaunen, baB einer ber Berg-
riesen eine Schneekappe trage. Vulkanische Feuer-
unb zugleich Schneeberge unter bem Aquator Inner-
afrikas: bas war eine Entbeckung, bie alle Welt in
Erstaunen setzte. Die erste Besteigung bes Vulkans
hatte nicht weniger als 20 Schwarzen bas Leben ge-
kostet; bie Bergsteigerkarawane war auf bem Weg
burch ein Moor in einen Schneesturm geraten, ber bie
Leute mit lahmenbem Entsetzen packte, so baB bie
Halfte wahrenb ber Nacht im Schneesturm erfror.
Hans Meyer versteht es, in groBen Ziigen packenbe
Gemalbe ber afrikanischen Lanbschaft mit ihrer eigen-
artigen Pflanzenwelt zu entwerfen. Der reich mit
ausgezeidmeten Abbilbungen nach Photographien unb
mit vier Karten ausgestattete Banb ist ein ehrenber
Beweis bessen, was beutsche Forscher in Afrika fiir
bie Wissenschaft unb fur bie Menschheit geleistet haben.
Der neue Brockhaus. Im Juni 1921 war an bas
beutsche Volk bie Frage ergangen: Wie soil Brockhaus'
Konversations-Lexikon fiirberhin zeitgemaB genannt
werben? Die Ant wort lautete: Der alte Freunb soil
einfach „Brockhaus" heiBen nach seinem Schopfer,
genau so, wie es beim Zeppelin gesdiehen ist. Unb
nun steht ein neuer .Brockhaus" vor uns. Schmuck
sieht er aus, ber gelehrte Freunb. DerWeltmechanismus
beginnt allmahlidi wieber zu arbeiten, bie engen
Schranken, bie bem Weltverkehr gesetzt waren, fallen
eine nach ber anbern. Der erste Banb umfaBt bie
Buchstaben A bis E unb ist mit zahlreichen bunten
unb einfarbigen Bilbertafeln unb Karten unb mit einer
Fulle klarer Textabbilbungen ausgestattet. Die Frage:
„Was bringt benn eigentlich ber neue Brockhaus Neues?"
ist unmoglich in vollem Umfang zu beantworten, ber
Raum erlaubt es nicht, mehr als einen ganz fliichtigen
Bescheib bariiber zu geben. Von ber „Affenhaut" bis
zum „Expressionismus" mit seinen prachtigen zwei
Tafeln, vom „Driickeberger" unb „Dunkelmann" bis zu
ben Beriihmtheiten ber Wissenschaften unb Kunst unb
bes offentlichen Lebens. Alle Kiinste aller Lanber
sinb vertreten. SpaBhaft ist es zu sehen, baB ber
Zwang bes Alphabets an ben Anfang ber Lieberreihe
bas Lieb aus Boilbieus „WeiBer Dame": „Ach welche
Lust, Solbat zu sein gestellt hat. Unter ben
Schriftstellem fehlt bie furditbare Courths-Mahler nicht.
In welchem Umfang ben wirtschaftlichen unb politisdien
Fragen Raum gegeben ist, beweist ber Umstanb, baB
allein bie mit „Arbeit" zusammenhangenben Stich-
worter nicht weniger als adit Seiten bes Buches ein-
nehmen. Die Buchfuhrung ist in ihren verschiebenen
Arten bargestellt. Wertvoll ist eine Tabelle ber Er-
finbungen, bie mit bem vor 1800 v. Chr. erfunbenen
Glas beginnt unb mit Steinachs Verjiingungsverfahren
enbiqt. Mit ben Banken werben wir wie mit ben
hervorragenbsten Firmen aller Inbustrie- unb Hanbels-
gebiete vertraut gemacht, von ber Deutschen Bank bis
herab zur „Dachauer Bank". Ein Lob verbienen bie
Karten. Sie sinb ubersichtlich unb reichhaltig. Fiir
uns Deutsche haben sie leiber wenig Erfreuliches, unb
man wirb traurig gestimmt, wenn man bie Karten
von Deutschlanb unb seinen ehemaligen Kolonien be-
trachtet. Ein Hanbbuch fiir sich bilbet ber Abschnitt
Deutschlanb mit all ben vielen bazugehorenben wirt
schaftlichen, geschichtlichen, politischen usw. Artikeln
unb Karten. Kurzum, wohin wir priifenb schauen,
finben wir uns befriebigt. Knappe Antwort auf alle
moglichen Fragen ist bas Ziel, bas ber neue Brockhaus
erreicht hat.
Biicherbesitz als Grabmesser personlicher
Kultur. Unter bem Stichwort „Ein untriiglicher Grab-
messer personlidier Kultur" macht in ber Tagespresse
eine Notiz bie Runbe, mit ber audi wir Buchbrucker
voll unb ganz einverstanben sein konnen. Die Aus-
fiihrungen lauten wie folgt: Ist es ber Verbrauch an
Seife?, ber Mietpreis ber Wohnung?, ber Besitz eines
Autos?, ber gefiillte Weinkeller?, ber Aufwanb an
Frembwortern in Rebe unb Schrift?, ber Jahresverbraudi
an Duftwassern?, bas Gekleibetsein nach ber neuesten
Mobe?, bie stilvoll moblierte Wohnung?, bie Zahl unb
bas Ansehen ber allsommerlich besuchten Babeorte?
Nichts von allebem! Denn biese Kennzeichen beuten
nur auf Vermogen, GenuBverfeinerung, Mobegeckerei
unb allerlei Bilbungs-Tanb, niemals aber konnen sie
uns sagen, wes Geistes Kinb ein Mensch wirklich ist,
wie weit es ihm gelungen ist, sein Inneres zum
lebenbigen Kunstwerk emporzuabeln. Ein ganz un-
trugliches Kennzeichen bafiir gibt es wohl iiberhaupt
nicht. Aber eins gibt es boch, bas seiten trtigt, bas
ist bie Zahl unb bie Art ber Biicher, bie sich einer
alljahrlidi kauft. Wie schlecht es mit bem Biicher-
kaufen in unserm Volke noch bestellt ist, bariiber sinb
ber Klagen schon viele ergangen. Man scheut sidi in
gewissen Kreisen nicht, viele Mark fiir ein Paar Hanb-
schuhe unb ein Glas „Kolnisches Wasser" auszugeben
unb bann mitbiesen wohlriedienben, gepflegtenHanben
ein schmieriges Buch aus ber Leihbibliothek anzu-
fassen. Pfui bich berSchanb! Es ist audi ganz falsdi
zu sagen: Ich mochte mir ja ganz gem Biicher kaufen,
aber ich habe kein Gelb bafiir, bie Familie kostet so
viel! Man wirb immer finben, baB selbst ber Gering-
besolbetste, ber Mann von kleinem Einkommen, ein
paar Mark jahrlich fiir Biicher ausgeben kann, wenn
er von vornherein mit bieser Ausgabe als mit etwas
Notwenbigem rechnet. Aber bas tut man ebennidit:
Biicherkaufen ist Luxus! Natiirlich aber alle Tage
1 bis 2 M. fiir Bier unb Zigarren ausgeben, bas ist
kein Luxus, bas gehort zu ben notwenbigen Lebens-
bebiirfnissen! Da haben wir's! Es muB bahin kommen,
baB von jebem, ber iiberhaupt eine Kleinigkeit fiir
ben LebensgenuB iibrig hat, ber also nicht zu ben
unterstiitzungsbebiirftigen Armen gehort, ber Erwerb
eines guten, neuen Buches zu ben notwenbigen Lebens-
beburfnissen gerechnet wirb. Dann wirb audi im
Hanbumbrehen bas Gelb bafiir ba sein. Zeige mir
beine Hausbiicherei, unb ich will bir sagen, was bu
wert bist! Wolltest bich, lieber Leser, banach einmal
in beiner Wohnung umsehen; unb finbest bu ba noch
eine klaffenbe Lucke, so geh hin unb bessere bich!