DEUTSCHER BUCH- UND
STEIN D RUCK ER
Die VlnzenzsRocKner ScOirlften
XXX
DEZEMBER
1923
MIT DER UNTERHALTUNGSBEILAGE „GRAPHISCHE FEIERSTUNDEN"
MONATLICHER BERICHT UBER DIE GRAPHISCHEN KUNSTE
SCHRIFTLEITUNG UND GESCHAFTSSTELLE BERLIN SW 61, TELTOWER STRASSE Nr. 32
Obwohl man es nicht fiir moglich halten sollte,
besteht in gebilbetsten unb wissenschaftlich
unterrichteten Kreisen nodi immer eine Un-
klarheit iiber ben Anteil, ben unser Albrecht Diirer
an ber Schrift genommen hat. Unausrottbar scheint
bie Meinung zu sein, baB Diirer bie beriihmtesten
Schriften seiner Zeit unb besonbers bie Fraktur
gesdiaffen habe. In Wirklichkeit steht er ber
Schopfung bieser Schriften vollig fern, unb weiter-
hin ist bas Schriftinteresse, bas er im sonstigen
zeigte, ein vollig theoretisches. Zu allebem ist ber
wahre Urheber ber beiben Hauptschriften vom
Anfang bes 16. Jahrhunberts nicht geniigenb in
ben Vorbergrunb geriickt worben. Es hanbelt sich
um bie monumentale Type, in ber im Auftrage
Kaiser Maximilians 1512—1514 bas Gebetbuch ber
Sankt-Georgs-Briiberschaft (siehe bie gegeniiber-
stehenbe Tafelunb um bie Type, in ber 1517
ber von Pfinzing unb Treizsaurwein verfaBte
Theuerbank hergestellt wurbe. Der Drucker ist
langst bekannt, es war Hans Schonsperger, ber zu
biesem Zweck einen Teil seiner Offizin von Augs
burg nach Niirnberg verlegte. Aber es war ein
Unrecht, bie Gebetbuchtype Schonspergertype zu
benennen; benn schon seit ben Forschungen
Giehlows 1907, benen sich spater Fritz Kuhlmann
unb Gustav Milchsack anschlossen, ist festgestellt,
baB ber Zeichner ber Schrift Vinzenz Rockner, bes
Kaisers Maximilian Geheimschreiber, war. Ein
Schreibmeister also hat jene groBartigste beutsche
Schrift geschaffen, bie, zum Typus ber Kanzlei-
formen gehorenb, ben Weg zur Fraktur hinweist.
Unb berselbe Vinzenz Rockner hat auch bie Theuer-
banktype (Abbilbung 1) geschaffen, wie von Johann
Neuborffer bem Alteren selbst bezeugt wirb. (Des
Johann Neuborffer Nachrichten von Kiinstlern unb
Werkleuten aus bem Jahre 1547, herausgegeben
von G. W. K. Lochner, Wien 1875.) Neuborffer
erklart, bie Probe fiir bie Theuerbankfraktur selbst
gesehen zu haben, unb ber Kaiser habe mit eigner
Hanb barunter bie Worte geschrieben: Te beum
laubamus. Es ist interessant, Neuborffer an bieser
Stelle von ber Fraktur als von etwas vollig Ge-
brauchlidiem sprechen zu horen, ja er charakterisiert
schon bie Theuerbanktype als eine Fraktur, wahrenb
sie uns noch in bie Gattung zierlicher Kanzleiformen
gehort. Ubrigens bebiente sich Schonsperger fur
bie Ornamentalisierung, fiir bie Ausschmiickung
beiber Schriften mit Schnorkeln ber Hilfe Jost be
Negkers. Diese Schnorkel hatten ben Zweck, ben
Drucken etwas Manuskriptartiges zu verleihen (ein
so riickwarts gewanbtes Gesicht trug boch noch bas
Kunstschaffen Maximilians), unb man konnte sich
friiher bie Schnorkel nicht anbers erklaren, als
inbem man meinte, bie ganzen Texte seien in Holz
geschnitten gewesen. Was aber ein richtiges ehr-
liches Buch ist, bas weist Druckfehler auf, unb wenn
es beim Gebetbuch kaum notwenbig war, so war
boch ber Theuerbank bamit als Druckwerk bezeugt.
Vinzenz Rockner also gebuhrt bie Ehre, er hat bie
Gebetbuchtype seit 1508 unb bie Theuerbanktype
seit 1512 erfunben unb entwickelt unb bamit fiir
bas Werben ber Fraktur zwei grunblegenbe
Schriften gezeichnet.
Neben ihnen steht aber noch eine britte Schrift,
bie zu ben hervorragenbsten ber Zeit gehort, bie
Ehrenpfortetype von 1515 (Abbilbung 2). Wenn
Diirer ben Gebetbuchtext mit arabeskalen Zeich-
nungen umranbete, so befinben sich auf zahlreichen
ber 92 Holzstocke zum Triumphwagen bes Kaisers
Maximilian starke Schriftkomplexe, unb bamit
werben wir noch viel mehr vor bas Problem ge-
stellt, ob bie Schriftformen auf ber Ehrenpforte
von Diirer herriihren ober nicht. Audi biese Frage
muB verneint werben. Die Gebetbuchtype hat
Diirer wohl vorher gesehen unb Rockner seinen
Rat bazu ausgesprochen. Wenn er aber schon
wohl keinen einzigen ber Holzstocke selbst ge
schnitten (wofiir Frieblanber in „Durers Bilbbruck"
mit anzufiihren ware), so wirb er nodi weniger
bie miihsame Schrift fiir bie Vorzeichnungen ent-
worfen haben.
Wer mag bann als Schopfer ber Ehrenpfortetype
in Betracht kommen? Sehen wir uns in ber Um-
welt Diirers, bie typographisch unb kalligraphisdi
gerichtet sein konnte, um. Da ist zunachst ber
Formschneiber Hieronymus Holtzl, ber viel fiir
Diirer gearbeitet hat. Noch fehlen Beweise, baB er
mehr als reinen Holzschnitt geleistet habe. Neben
ihm aber steht ber Formschneiber Hieronymus
Anbreae, ber nach bem Zeugnis Neuborffers an
ber Herstellung ber Holzplatten fiir bie Ehrenpforte
Von Professor Dr. Julius Zeitler, Leipzig
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