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DEUTSCHER BUCH- UND STEINDRUCKER
XXX
HucKblicK ai;
das Jahr 1923
Von Ji
Das abgelaufene Jahr ist wirtsdiaftlich wohl eines
ber schlechtesten gewesen. Als gleich nadi Jahres-
beginn bas Ruhrgebiet, bas Herz Deutschlanbs, von
unsern Feinben besetzt wurbe, stockte bas wirtschaft-
liche Leben. Inbustrie, Hanbel unb Wanbel gerieten
von einer Krise in bie anbere. Die Preise fur
alle Artikel, fur alle Arbeiten stiegen ins UnermeB-
liche. Der Absatz fehlte; vielfach wurbe auf Vorrat
gearbeitet. Dies kann ber Budibrucker respektive bas
graphische Gewerbe nichtaus biesem Grunbe muBte
auch unser Gewerbe am meisten von alien Inbustrie-
zweigen leiben.
Die Stagnation, welche auf alien Inbustriezweigen
sidi bemerkbar machte, wirkte sich besonbers im
graphischen Gewerbe aus. Das liegt in ber Natur bes
ganzen Gewerbes; hangt es boch besonbers eng mit
bem wirtsctiaftlichen unb politischen Leben zusammen.
Unter ber Ungunst ber Verhaltnisse haben bie
Zeitungen und Zeitschriften besonbers zu leiben.
Diesen geht es zurzeit herzlich schlecht. Ausnahmen
machen einige GroBstabtblatter, bie heute noch einen
ansehnlichen Anzeigenteil aufzuweisen haben. Diese
wenigen Zeitungen aber sinb nicht m^Bgebenb; bie
Blatter ber Provinz sinb in ber Mehrzahl, unb bei
biesen ist ber Anzeigenteil sehr zusammengeschmolzen.
Die Inserate aber sinb bas Riickgrat ber Zeitungen
unb Zeitschriften. Aus biesen Einnahmen konnte ber
Verleger seine Mitarbeiter honorieren; er konnte burch
ben Inhalt seines Blattes mithelfen an bem, was wir
gemeinhin mit Kultur bezeichnen. Heute kann ein
Provinzblatt nur geringe ober gar keine Mittel auf-
bringen fur Arbeiten, bie burch bie Presse Gemeingut
geworben waren, weil burch ben Bezugspreis kaum
bie Kosten fur Papier unb Druck gebeckt werben.
Seit langen Jahren beslehenbe Blatter haben ihr Er-
scheinen einstellen miissen, weil ber Abonnements-
preis von ben Beziehern nicht mehr bezahlt werben
konnte. Anbere Blatter sinb in ber Erscheinungsweise
rebuziert; friihere Tageszeitungen sinb auf brei- ober
zweimaliges Erscheinen zuriickgegangen.
Denselben schwierigen Kampf haben bie Werk-
druckereien zu bestehen. Der Verleger muB es sich
heute zweimal iiberlegen, ob er ein Werk in Druck
geben kann ober nicht. Will er audi nur mit einem
kleinen Nutzen arbeiten, werben seine Bucher einen
bermaBen hohen Preis kosten miissen, ben bie Kaufer
nicht anlegen konnen ober wollen. Das trifft nament-
lich fiir ben Druck wissenschaftlicher Werke zu. Ab-
nehmer bieser waren Gelehrte, Stubenten, Schiiler
hoherer Anstalten. All biese konnen heute nur in
Ausnahmefallen baran benken, sich ein Buch zu kaufen.
Es ist bas zu bebauern, wirb boch burch bas Fehlen
ber Bucher bas geistige Leben unterbunben.
Wenben wir uns bem Akzidenzdrucke zu, werben
wir auch nur Klagen iiber Arbeitsmangel horen. Es
wirb ebensowohl von seiten ber GroBinbustriellen
wie vom Hanbwerker zu sparen gesucht. Dafi bieses
Sparsystem am falschen Enbe geiibt wirb, will man
oft nicht einsehen. Man moniert bie hohen Kosten,
bie fiir Arbeiten bes Buchbruckers geforbert werben
miissen, unb bebenkt nicht, bafi bie Preise fiir bie
notwenbigsten Lebensmittel eine schwinbeinbe Hohe
erreicht haben. Diesen Ausgaben kann sich ber Prinzi-
pal nicht entziehen; er muB sein Personal bement-
sprechenb bezahlen, unb will er auch nur mit bem
bescheibensten Nutzen arbeiten, muB er vorsiditig
s Bielert
kalkulieren. Wer biese Kalkulation auBer Augen lafit,
wirb balb bort angelangt sein, wo es heifit: bis hier-
her unb nicht weiter; er wirb seine Druckerei schlieBen
miissen. Leiber gibt es auch heute noch sogenannte
„billige Leute". Fur jeben Preis wirb ein Auftrag an-
genommen unb ausgefuhrt; nicht ber Budibrucker
macht ben Preis, sonbern ber Auftraggeber schreibt
biesen vor. Man rnoge boch bebenken, baB es nutz-
bringenber ist, einen Auftrag zu haben, ber einen
Verbienst iibrig laBt, als zehn Auftrage, bei benen
noch Gelb zugesetzt wirb. Gerabe im Akzibenzgeschaft
sinb es eigentlich nur selbstverstanbliche Grunbsatze,
burch bie jeber Kunbe zu halten ist: Piinktliche
Lieferung unb saubere Arbeit. Durch bie AuBeracht-
lassung bieser» Momente hat sich mancher Prinzipal
schwer geschabigt.
Audi von ben SchriftgieBereien werben wir vor-
wiegenb Klagen horen. Es ist bas ganz selbstverstanb-
lich, benn ber Budibrucker kann nur in ben seltensten
Fallen baran gehen, eine neue Schrift zu kaufen. Trotz-
bem sinb unsere GieBereien nicht miifiig; trotz aller
Ungunst ber Verhaltnisse bringen sie neue Erzeug-
nisse heraus, bamit beweisenb, baB „Arbeiten unb
nicht verzweifeln" ihr Wahlspruch ist. Uns liegt baran,
nachzuweisen, wie emsig bie GieBereien auch in bieser
kritischen Zeit bemiiht sinb, bem Budibrucker immer
neues Material zu bieten, womit er bie Besteller
fesseln kann*.
Wenn wir in ben obigen Zeilen eigentlich nur von
Klagen ber Berufsangehorigen sprechen konnten,
wollten wir boch zum SchluB auch bie Gegenseite
vorzeigen. Es sinb bas bie Firmen, welche heute mit
bem Wertpapierdruck mehr ober weniger beschaftigt
sinb. Es sinb bas ja zum weitaus groBten Teile Auf
trage bes Staates. Die Ausfiihrung bieses Noten-
brucks setzt einen mit ben mobernsten Maschinen
ausgeriisteten Betrieb voraus; Leitung unb Uber-
wachung ber betreffenben Offizinen miissen muster-
giiltig sein. Bei biesen Voraussetzungen wirb benn
auch mit Nutzen gearbeitet werben konnen.
In ben weiteren Zweigen bes graphischen Ge
werbes, wie Stein- und Lichtdruck, Offset- und Tief-
druck, waren bie gleichen Schwierigkeiten wie im
Buchbrudc zu iiberwinben. Trotzbem ging es audi
bort vorwarts, wie unser jiingstes Heft, bas sich mit
bem Tiefbrudc besonbers beschaftigt, zeigt.
Auch auf bem Maschinenmarkt stockte bas Geschaft
vollstanbig, unb auch fiir 1924 ist hier nicht viel zu
hoffen. Eine Ausnahme machen Setzmaschinen; hier
wirb uns bas Jahr 1924 ttiue unb bessere Maschinen
bringen. In verschiebenqti Heften bes D. B.- u. St.
haben wir uns mit biese!1 ^rage besonbers auseinanber-
gesetzt, unb bie fiir beti Anfang bes Jahres 1924 in
in Aussicht genommene Setzmaschinen-Sonbernummer
wirb hier bie letzten Aufklarungen bringen.
Wenn wir audi mit ben Ergebnissen bes Jahres 1923
nicht zufrieben sein konnen, so biirfen wir boch an ber
Zukunft nicht verzweifeln. Der zahe beutsche Schaffens-
geist wirb auch kommenbe Schwierigkeiten iiberwinben.
Was glaubensstarke Arbeit baut,
Das kann kein Sturm verwehn.
Ein Volk, bas seiner Kraft vertraut,
Kann niemals untergehn!
In einem besonbern Aufsatz im Heft kommen bie Schrift -
gieBereien ausfiihrlicher zu ihrem Recht. Die Schriftleitung.