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DEUTSCHER BUCH- UND STEINDRUCKER
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Abbau und Wiederaufbau
Von Emerich Kner in Gyoma, Ungarn
Wenn man fiber bie Lage unb Zukunftsaussichten
ber graphischen Gewerbe unb fiber bie allgemeine
Wirtschaftslage nachbenkt, kann man zu ber Erkenntnis
gewisser Tatsachen gelangen, bie gesetzmafiige Zu-
sammenhange zeigen, auf bie Verhaltnisse aller mittel-
europaischen Staaten gleichmafiige Gfiltigkeit haben
unb sich in einfache Formeln brangen lassen. Das
Erkennen unb bie nahere Untersuchung bieser ein-
fachen Gesetze kann ffir uns, bie wir in ben graphischen
Inbustrien tatig sinb, von gewissem Nutzen sein.
Man kann wohl im allgemeinen behaupten, bafi
bie Probuktion in Mitteleuropa auf alien Probuktions-
gebieten sehr zurfickgegangen ist. Aber auch ohne
nahere Kenntnis ber Stalistik kann behauptet werben,
bafi ber Rfickgang nicht auf alien Gebieten gleichmaflig
vor sich ging. Es gibt Gebiete, bie weniger bavon
betroffen wurben, so namentlich bie Probuktions-
gebiete, bie bie erstklassigen Lebensbebfirfnisse zu
becken berufen sinb, unb es gibt solche, bie in einem
viel grofieren Grabe zurfickgingen, unb bas sinb im
allgemeinen bie Probuktionszweige, bie ffir unsere
Kulturbebfirfnisse zu sorgen haben. Es gibt also
Probuktionszweige, beren Bebeutung heute viel grofier
ist als vor bem Kriege, unb es gibt solche, bie viel
von ihrer Bebeutung verloren haben. Es ist nur zu
natfirlich, bafi bieser Umstanb auf Grunb bes Gesetzes
von bem Gleichgewicht ber Nachfrage unb bes Angebots
auch bie Preise empfinblich beeinflufit, unb bafi er
auch auf bem Gebiete bes Arbeitsmarktes zur Geltung
kommt.
Die allgemeine Verarmung ber mitteleuropaischen
Lanber brachte es mit sich, bafi biese Volker fur ihre
primitivsten Lebensbebfirfnisse auch kaum sorgen
konnen, unb bafi infolgebessen bie Inbustrien, bie ihre
Entwicklung bem verhaltnismafiigen Wohlstanbe ver-
banken konnen, in bem wir vor bem Kriege lebten,
zurzeit sehr schwer zu kampfen haben. Wenn man
kaum ffir bie tagliche Nahrung sorgen kann, kauft
man weniger Kleiber, man ersetzt bie Mobel unb ben
Hausrat, ben man verbraucht hat, nicht, unb man hat
nichts fur Bficher, Reisen unb Luxus fibrig.
Dafi ein grofier Teil ber Inbuslrie keine Absatz-
moglichkeiten hat, ffihrte natfirlich zu einem hohen
Grabe von Arbeitslosigkeit in ber Inbustrie; auch bie
Bautatigkeit wurbe eingeschrankt, in manchen Lanbern
beinahe vollstanbig eingestellt, unb so mufiten natfirlich
bie Lohne auch fallen! Die Gesellschaft hat eben viel
weniger, als sie vor bem Kriege hatte, sie probuziert
auch weniger, es kann also auf ben einzelnen weniger
entfallen.
Es gibt aber eine ganze Menge von Waren unb
Stoffen, bie aus anbern Lanbern bezogen werben
mttssen. Unb ba biese Lanber noch in ben wirtschaft-
lichen Verhaltnissen leben, bie vor bem Kriege audi
bei uns herrschten, mfissen natfirlich biese Waren unb
Stoffe zu ben Preisen bezahlt werben, bie sich unter
anbern Wirtschaftsverhaltnissen in biesen glficklicheren
Lanbern gebilbet haben.
Wenn wir nun bie Konsequenzen bieser Fest-
stellungen ziehen wollen, mfissen wir zu ber Erkenntnis
kommen, bafi eben zuwenig Material unb zuviel
Arbeitskraft ba ist. Das heifit, nur wenn man bas
Verhaltnis von Angebot unb Nachfrage auf bem Markte
beobachtet. (Denn sonst ist in bezug auf bie Kaufkraft
ber Massen zuviel Ware unb in bezug ber zu be-
waltigenben Aufgaben zuwenig Arbeitskraft ba. Unb
eben bieser Gegensatz ist bie grofite Krankheit unserer
Zeit, ihr abzuhelfen ware bie grofite Aufgabe, bie jetzt
ber Menschheit gestellt ist. Wir mfissen aber auf ber
Grunblage ber gegebenen Marktverhaltnisse bleiben,
um zu vernfinftigen Folgerungen zu kommen!)
Wenn wir bie Preisbilbung im allgemeinen be-
trachten, konnen wir wohl als Gesetz feststellen, bafi
Kohlen unb Rohstoffe im Verhaltnis zu ben Friebens-
preisen viel teuerer, Arbeitslohne aber viel billiger
geworben sinb. Infolgebessen haben sich bie Preise
ber Fertigfabrikate auch sehr verschieben entwickelt.
Alle Preise, bie sich aus viel Kohle, viel Material unb
wenig Arbeit bilben, sinb hoch; alle Preise, bie wenig
Kohle, wenig Material unb viel Arbeit enthalten, sinb
niebrig. In unserm Beruf zeigt sich bas im folgenben:
Man kann sich heute eine schone Originalzeichnung,
einen kfinstlerischen Originalentwurf ober einen
Originalholzschnitt viel eher leisten als im Frieben, ba
Arbeit also auch geistige respektive kfinstlerische
Arbeit wie bie Hanbarbeit billig ist, aber ein ganz
schweres Bfittenpapier ober feine Kunstbruckpapiere
kann man sich nicht mehr so leisten wie frfiher. Man
kann sich schon bei einer nicht zu grofien Auflage einen
Holzschnitt leisten, unb man greift nicht so leicht zu
einem guten Klischee. Denn Zink, Chemikalien usw.
sinb viel mehr gestiegen als ber Stunbenlohn bes
Xylographen.
Das ist also ein Gesetz, bas im allgemeinen bie
Preisbilbung eines Fertigfabrikats unb bas Verhaltnis
ber wichtigsten Bestanbteile bes Preises bestimmt.
Nun kommt aber noch ein anberes Gesetz zur
Geltung, unb zwar ebenfalls bas Gesetz von Nach
frage unb Angebot in einer anbern Beziehung. Es
fragt sich namlich, ob bas betreffenbe Fertigfabrikat
von primarer ober sekunbarer Bebeutung ffir bie ver-
brauchenben Massen ist. Der Verbrauch von Mehl unb
Brot kann ja ebenfalls sehr zurfickgehen ich glaube,
eine eingehenbe Statistik wfirbe uns entsetzliche Ent-
hfillungen bringen aber schliefilich hat auch bieser
Rfickgang gewisse Grenzen! Die Menge ber Gesamt-
probuktion unb bie Grofie bes vorhanbenen Probuktions-
apparats stehen in einem gewissen Verhaltnis zuein-
anber, unb bieses Verhaltnis kann sich in einem
gewissen Spielraum bewegen. Es ist nur zu leicht
erklarlich, bafi bieser Spielraum bei ber Muhleninbustrie
ober im Backergewerbe ober auch noch in ber Be-
kleibungsinbustrie niemals so grofi sein kann als bei
einer Inbustrie, beren Erzeugnisse nur bei einem
gewissen, nicht zu niebrigen Grabe bes allgemeinen
Wohlstanbes grofien Absatz erzielen konnen.
Das Gesetz vom Gleichgewicht ber Nachfrage unb
bes Angebotes kommt jetzt nichtmehr so roh unb
primitiv zur Geltung wie in frfiheren Zeiten, wo man
einfach ben Preis hob, wenn grofie Nachfrage herrschte,
unb ben Preis herabsetzte, wenn bie Zeiten f lau wurben.
Es ist ja allgemein bekannt, bafi bie Preise ber
gewerblichen Erzeugnisse aus brei Elementen bestehenS
1. Material; 2. Arbeitslohn; 3. Betriebsunkosten, Regie,
Nutzen bes Unternehmers.
Wenn man nun bas einzelne Probukt unb ben
Einzelpreis betrachtet, zeigen sich bei steigenber Pro
buktion gewisse Verschiebungen. Die Preisbilbung ist
sehr von ber Anzahl ber probuzierten Stucke abhangig,
unb keins ber oben angeffihrten Elemente bleibt bavon
unberfihrt, wenn sie auch in verschiebenem Mafie bavon
beeinflufit werben.