Dez. 1923
DEUTSCHER BUCH- UND STEINDRUCKER
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bei grofierer Auflage ein Drittel des Preises auf das
Papier entfiel, entfallen jetzt bei kleinerer Auflage
bei ben verschiedenen Formaten 45 bis 55% bes Preises
auf das Papier. Nach meinen Informationen ist die
Verschiebung auch beim Verlag und bei andern Zweigen
der Industrie die gleiche!
Itfi habe versudit, unsere Lage und die Wirtsdiafts-
gesetze zu beleuchten, durch welche diese Lage be-
dingt ist. Es zeigt sich, dafi die Konsequenzen des
allgemeinen wirtschaftlichen Riickganges in unserm
Berufe viel fiihlbarer hervortreten als in andern In-
dustriezweigen, es zeigt sich aber, dafi dieser Umstand
mit unerbittlicher Notwendigkeit aus den inneren Ge-
setzen, aus der Struktur unseres Berufes herriihrt.
Oben habe ich darauf hingewiesen, welche Wege
dem Betriebsleiter im allgemeinen offen stehen, wenn
er das gestorte Gleichgewicht von Produktion und
Kalkulation herstellen will. Nun will ich priifen, ob
diese Wege auch wir Buchdrucker betreten konnen?
Ich muB leider sagen, daB diese Wege uns meines
Erachtens verschlossen sind.
Konnen wir denn auf Lager produzieren? Es gibt
ja einige wenige Zweige des Berufes, welche das
Arbeiten auf Lager, also auf Spekulation, ermoglichen.
Diese Moglichkeiten liegen aber nicht mehr auf unserm
Gebiete, sondern auf dem Gebiet des Verlagswesens,
also auf dem Gebiete eines andern Berufes, der auch
seine eigenen Gefahren und seine zeitgemaBen Krank-
heiten hat. Die Druckindustrie ist aber zu 90% ihrer
Leistungsmoglichkeit auf Arbeiten eingerichtet, die
momentane Bedurfnisse decken sollen, und die nur
in einem gewissen Zeitpunkt fur einen gewissen Be-
steller von Wert sind! Das Arbeiten im voraus ist
hier beinahe ganz unmoglich, und so ist es auch un
moglich, den Betrieb gleichmaBig zu belasten, eine
Betriebsreduktion systematisch und in einer Weise
vorzunehmen, die das Zusammenhalten eines Stabes
von geschultem Personal und eine gute, gleichmaBige
Ausnutzung des Betriebes ermoglicht. Nur die
wenigen Firmen, die hauptsachlich Zeitungen drucken
Oder fur den eigenen Verlag arbeiten, konnen das
tun, aber diese leiden auch unter dem stetigen Zuriick-
gehen der Durchschnittsauflagen.
Der andere Weg ware die ErschlieBung neuer
Absatzgebiete, der Export! Wir alle wissen, wie es
damit aussieht.
Einem Klavierfabrikanten oder einer Maschinen-
fabrik ist es moglich, die Ungunst der Verhaltnisse in
eine gunstige Konjunktur umzukehren. Da ihm die
Verarmung des eigenen Landes unmoglich macht, die
Produktion im friiheren Mafie aufrechtzuerhalten, kann
er die durch die Verarmung verursachten niedrigen
Lohne dazu ausnutzen, um der auslandischen Industrie
Konkurrenz zu machen und die friiheren Grenzen der
Produktion mit Export auszufiillen. Wieweit das der
Druckindustrie in Deutschlanb gelungen ist, wissen
wir ja alle. Ich glaube aber nicht, daB die grofien
auslandischen Auftrage geniigen, den kolossalen Pro-
duktionsapparat der deutschen graphischen Industrie
vollauf zu beschaftigen! Ich glaube nicht, daB die
Hindernisse, die Sprache und Entfernung uns in den
Weg legen, zu iiberwinden sind, denn es sind immer-
hin nur gewisse Arbeiten, die ins Ausland vergeben
werden konnen, und die Druckindustrie der Nach-
barlander ist ja audi nicht so voll beschaftigt, daB sie
sich nicht die groBte Miihe geben wiirde, die Arbeiten
fur sich zu behalten.
Es sind uns also keine Auswege offen, wir miissen
der groBten Gefahr in die Augen sehen! Die Kata-
strophe kann nicht mehr hinausgeschoben werden, sie
ist ja schon da, sie zeigt sich in der wahnwitzigen
Preisdrudcerei, die zum Iatenten Ausverkauf der
Betriebe fuhren wird. Was haben wir also zu tun?
Unsere Aufgabe laBt sich mit einem einzigen Worte
bezeichnen, und das ist: „Abbau".
Es ist ganz entsdiieden und klar, daB ein groBer
Teil des unter besseren Verhaltnissen geschaffenen
Produktionsapparates zurzeit, und vielleicht auf viele
Jahre hinaus, iiberfliissig ist! Und es ist auch ganz
klar und selbstverstandlich, dafi dieser Umstand den
Kampf um die Arbeit zu wahnsinniger Wut entfadien
und dadurch den Ruin des Gewerbes nur beschleu-
nigen wird.
Die Abwanderung von Arbeitern und Arbeitgebern
ist ja eine Erscheinung, die uns alien bekannt ist. Es
gibt viele Buchdrudcereibesitzer, die es verstehen, ihr
Kapital aus dem Geschaft zu Ziehen und das Geschaft
einem Nichtfachmann zu verkaufen. Sie suchen sich
ein anderes Tatigkeitsfeld, das zurzeit mehr Erfolge
verspricht, und der neue Besitzer haut wild um sich,
versucht fur jeden Preis Arbeit zu schaffen. Der
Tausch bedeutet zumeist nichts Gutes fur die Branche.
Ganze Scharen von Arbeitern und sogar die besten
Ziehen von dannen. Viele unserer feinsinnigen,
differenzierten Arbeiter Ziehen nach Amerika, um dort
das Leben zu fristen. Ich habe von mehreren solchen
Kollegen Briefe bekommen. Die beklagen sich, daB
sie sich nicht an das Tempo gewohnen konnen, sie
konnen nicht zu Maschinen werden, ihre differenziertere
Arbeitsweise wird dort nicht bewertet, sie verlieren
dort alle Ambition, und so bedeuten sie auch fur die
amerikanische Druckkunst keinen Gewinn. Viele intelli-
gente Arbeiter verlassen iiberhaupt ihren Beruf, und
vielen gluckt es, sich auf andern Gebieten durchzu-
schlagen. Das bedeutet, daB das Fach tuchtige Leute
in ihnen verloren hat, die es hatten zu etwas
bringen konnen. Viele Betriebe schrumpfen ein, ich
kenne solche, die erstklassige Qualitatsarbeiten ge-
leistet haben und jetzt nicht mehr im Kampfe bestehen
konnen. Ihre Arbeitsweise, ihre Gewissenhaftigkeit,
ihr langsameres Produktionstempo verhindert sie daran,
die Preisunterbieterei mitzumachen, und sie mussen
langsam verkiimmern.
Wir konnen im allgemeinen behaupten, daB oft die
wertvollsten Elemente ausscheiden, die fur die Ge-
samtheit des Berufes, fur Unternehmer wie Arbeiter
gleich teuer sind, und die unbedingt fur die bessere
Zukunft aufbewahrt werden miiBten.
Wie konnten diese Personen, diese Betriebe dem
Berufe erhalten werden? Durch eine zielbewufiteTatig-
keit aller am Fache interessierten Organisationen und
Instanzen, durch die Erkenntnis, daB ein zielbewuBtes
Zusammenwirken in dieser Richtung notwendig ist.
Wir mussen einsehen, daB die Verhaltnisse uns
einer Katastrophe entgegenftihren. Wir mussen alle
erkennen, daB die zurzeit iiberfliissigen Betriebe und
Personen das Fach als eine unertragliche Last be-
driicken, und daB die Verhaltnisse, die durch die
nahende Katastrophe hervorgerufen werden, gerade
den wertlosesten Elementen giinstig sind. Den Riick-
sichtslosen, den Elementen, die durch keine besseren
Gefiihle an den Beruf gebunden sind, sondern sie
nur als Mittel zum Ziele betrachten. Den Kurzsichtigen,
die unerhorte Raubwirtschaft mit ihrem Betrieb und
mit ihrem Personal treiben, und wenn die alten, ver-
brauchten Schriften und Maschinen sich nicht mehr aus
nutzen lassen, wenn dasalte Personal auseinandergeht,
das Ganze jemand aufhalsen und weitergehen.