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DEUTSCHER BUCH- UND STEINDRUCKER
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zuriickstellen und die Aufmerksamkeit auf eine Weiterentwick-
lung des Hochdrucks hinlenken, die dazu bestimmt ist, dieses
Druckverfahren zu revolutionieren und Olfset- und Tiefdruck zu
neuen Leistungen anzuspornen, wenn sie Schritt halten wollen.
Einige wenige wohlbekannte potentielle Tatsachen: Der Vor-
gang des Druckens mit der Druckerpresse tvom Klischee oder
Satz hat sich im Prinzip seit seinen Anfangen nicht geandert.
Er besteht darin, eine Schicht von Farbe fiber die Schrift und
die Druckstocke auszubreitendie dann derart mit Papier in
Berfihrung gebracht werden, daB dieses den Abdruck empfangt.
Der Druck muB stark genug sein, die Farbe von Type oder
Druckstock aufzunehmen und auf das Papier zu fibertragen, das
dann die Maschine verlaBt. Der Druckvorgang ergibt sich durch
Anwendung von Pressung des Papiers zwischen Farbe und
Schrift einerseits, und dem Druckzylinder oder dem Fundament
anderseits. Diesen Druck haben Gutenberg und seine Jfinger
zuerst in primitiver Weise gehandhabt, die eine groBe korper-
Iiche Anstrengung erforderte. In der Folge ist es stets der
Gedanke aller Praktiker gewesen, daB die Anwendung eines
starken Druckes eine absolute Notwendigkeit sei, um den Zweck
zu erreichen. Dies illustriert sich am besten noch bei den
Handpressen unserer Kupferdruckereien oder Privatpressen. Der
Druck wird zu gleicher Zeit fiber die ganze Form verteiit, und
jeder, der einmal eine Hebelabziehpresse betatigt hat, weiB, was
das bedeutet.
Als dann Kraftantriebsmaschinen beim Druckprinzip zur
Anwendung gelangten, blieb der einzige Wechsel darin be-
stehen, daB die menschliche Arbeitskraft durch mechanische
ersetzt wurde. Spater entdeckte dann jemand, daB sich die
Druckarbeit leichter und mit groBerer Geschwindigkeit erledigen
lasse, wenn man ein bewegliches Fundament, auf dem die
Druckform ruht, mit einem Drehzylinder in Kontakt bringt,
wobei nur ein kleiner Teil der Form zur Zeit unter Druck steht.
Infolgedessen war hierbei der enorme Druck, der bei Tiegel-
druckpressen erforderlich ist, nicht notwendig.
Die nachste Entwicklung brachte die Rotationspresse, bei
der die halbzylindrische Druckform und der Druckzylinder sich
gegeneinander bewegten. Auf diese Weise wurde die Flache,
die gleichzeitig unter Druck versetzt wurde, noch kleiner, und
es konnte eine groBere Auflage in einer gegebenen Zeit be-
waltigt werden, weil hierbei keinerlei Bewegung verioren ging,
wie bei der Schnellpresse mit ihrem Fahrfundament, das immer
in Hin- und Herbewegung begriffen war. Das ist ohne Zweifel
die Druckmethode der Zukunft.
Allgemeinverstfindlich: Die besten Drucke liefert die Tiegel-
druckpresse, wenn keine groBe Auflage in Frage kommt. Zum
Beweise diene, dafl der Abzug einer Gravur von der Handpresse
als hochste Druckleistung angesprochen wird, die sich erreichen
laBt. Man hort dann, daB den besten Druck, wenn Mengen in
Frage kommen, die Schnellpresse liefert. Hieraus folgt natfir-
lichdaB die Rotationsdruckmaschine nur ffir Massenauflagen
auf minderwertigem Papier bei hochster Geschwindigkeit gut ist
und sich deshalb auch auf den Druck von Zeitungen beschrankt.
Dieser TrugschluB auf Grund wahrer Tatsachen, der sich ein-
geschlichen hat, hat die Druckindustrie ffir viele Jahre
gelfihmt, und erst jetzt fangt man an, dies zu begreifen und
Licht zu sehen.
Man nehme einen beliebigen Drucker, gleichviel ob er eine
Abziehpresse in einer Reproduktionsanstalt, eine Schnellpresse
in einer Buchdruckerei oder eine Rotationsmaschine im
Maschinensaal einer Zeitung bedient, und er wird bestatigen, dafi
die erste Handlung beim Druck darin besteht, dieForm „eben" zu
machen. In andern Worten: Die Form so herzurichten, daB ein
gleichmaBiger Druck von der ganzen Flache erzielt werden kann.
Dann, nachdem die Form „plan" hergerichtet ist, beginnt die
Zurichtung, die, wie jeder weiB, der uberhaupt etwas vom
Druck versteht, darin besteht, daB eine Anzahl von Papierflicken
fiber die dunklen und starken Teile der Form gelegt wird,
und indem man die Teile der Form ausschneidet oder aus-
schabt, die in Berfihrung mit den weiBen Stellen kommen, so
daB sich eine Reproduktion der Druckform von selbst ergibt.
Wenn die Zurichtung fertig ist, das heiBt, wenn alles geniigend
and zweckentsprediend ungleidi hodi ist, dann kann der Druck
beginnen und unter mehr oder weniger Zufalligkeiten durch-
geffihrt werden. Ist die Auflage sehr groB, dann findet der
Drucker nach einer gewissen Zeit, daB seine Zurichtung ab-
gequetscht ist. Und er fangt die mfihselige Arbeit des Zu-
richtens von vom an, um fortdrucken zu konnen, und um einen
moglichst gleichmaBigen Druck der Auflage abzuliefern.
Das trifft auf alle Pressen zu, und es ist die orthodoxe
Methode des Drucks von heute. Hier kann man fragenWas ist
denn verkehrt dabei?" Nichts weiter, als daB das ganze schone
Gebfiude der Zurichtung auf Sand gebaut ist und dafi wir auf
diesem Fundament im Quicksand weiterbauen, und je hoher
wir kommen, daB desto mehr die Struktur zusammenbricht mit
dem Resultat andauernder und wachsender Unkosten. Dies ist
genau der Fall der Druckindustrie, und wenn der fundamentale
Irrtum korrigiert werden kann, der begangen ist, dann ver-
schwinden 90 Prozent aller Beschwerden und Angriffe, die
gegen den typographischen Druck gerichtet sind.
Wir wollen ein wenig tiefer in das Problem eindringen.
Wenn ein Maschinenmeister eine Form in der Maschine hat,
fertig auf Register geschlossen, macht er einen Abzug, halt ihn
gegen das Licht, dreht ihn um und sieht sich die Rfickseite an.
Warum? Weil er weiB, daB die Form nicht „eben" ist, und weil
er sehen will, wo die Ungleichheiten existieren, damit er sie
genau feststellen und in seiner Zurichtung berficksichtigen kann.
In keinem Falle erhalt er jemals einen vollstandigen Abdruck
der ganzen Form (von gleicher Druckstarke) auf dem ersten
Abzug. Er findet, daB Teile der Form zu wenig Druck haben,
einzelne vielleicht gar keinen, weil wiederum andere Teile direkt
in das Papier hineingepreBt sind, und zwar bis zur Tiefe von
!/10 mm. Wenn nun das Fundament und der Druckzylinder
absolut genau sind, so lagen die Ungleichheiten beim Satz oder
bei den Klischees. Es gibt aber tatsachlich Ungleichheiten bei
alien Berfihrungspunkten, mit dem Fundament zu beginnen,
dann bei den Unterlagen der Druckstocke, bei den Druck-
flachen, im Papier, im Druckzylinder und in den Lagern.
Diese Defekte, Ungenauigkeiten und Ungleichheiten mfissen
alle in der Zurichtung kompensiert werden, ehe eine brauchbare
Drucksache die Presse verlassen kann. Dies nimmt viel Zeit in
Anspruch, verringert die Produktion und erhoht die Kosten der
Druckarbeit, ganz abgesehen vom Einflufi auf die Qualitat der
Arbeit. Die Unebenheiten, die durch die Zurichtung nicht zu
fiberwinden waren, beseitigt man durch verstdrkten Druck. Der
Drucker setzt eben als Selbstverstandlichkeit voraus, dafi ein
starker Druck notig ist, um zu drucken.
Wie viel Druck ist nun nfitig, um die Farbe von der Form
auf das Papier zu fibertragen? Die meisten Maschinenmeister
werden sagen, daB ein grofier Teil mehr Druck bei den soliden
und schwarzen Stellen der Form notig ist als bei den hellen
Stellen. Wirklich? Man mache einmal selbst den Versuch mit
dem Einfarben einer Autotypie, auf die man dann ein Blatt
Papier legt und es nun mit einer glatten Flache fiberrelbt. Man
findet, dafi iiberrasdiend wenig Druck notwendig gewesen ist,
die Farbe vom Klischee auf das Papier zu fibertragen, und daB
auch bei den dunkeln Stellen nicht mehr Druck notig ist als bei
den hellen. Nachdem man sich hiervon fiberzeugt hat, teile
man seine Entdeckung dem ersten besten Druckerkollegen mit
und fliidite. Er wird demonstrieren, dafi er nicht imstande ist,
zu drucken, wenn er selbst nur einen dfinnen Bogen vom Aufzug
abnimmt, und daB er nur die gewfinschten Resultate erzielt,
wenn er weitere Bogen aufzieht, was mehr Druck bedeutet,
Gewifi ist, daB ein mafiiger Druck genfigt, und ebenso sicher ist.
daB bei weitem nicht der dauernd aufgewendete Druck benotigt
wird, der die Form vernichtet und den Druck selbst ruiniert.
Man braucht nur gesunden Menschenverstantf. Wenn wie in
der Theorie alle Flachen in sich perfekt und in perfekter Hohe
zueinander gleich sind, dann kann der Vorgang des Druckens
mit viel weniger Pressung vor sich gehen, mit weniger Farbe
und mit grofierer Geschwindigkeit, als es jetzt der Fall ist.
So weit die Theorie! Wie steht es mit der Praxis?
Vor einigen Jahren ging ein praktischer Mann mit un-
gewohnlicher Erfahrung und mit einem guten Teil von mecha-
nischem Verstandnis daran, diese Theorien in der Praxis durch-
zuarbeiten und anzuwenden. Wir meinen Mr. L. W. Claybourn,
den Direktor der Claybourn Process Corporation. Claybourn
hat zeit seines Lebens In verschiedenen Branchen der Kiischee-
herstellung und der Druckindustrie fiberhaupt zugebracht. Als
er ansagte, dafi es seine Absicht sei, ohne Zurichtung zu
drucken, stieBen seine Argumente daffir auf Ablehnung und
Widerspruch. Dies hielt ihn nicht ab, seine Forschungen und
Experimente weiter zu verfolgen, und in der Oberzeugung,
recht zu behalten, schritt er vorwarts. Er fand, daB die