IA M S T ÖOLLITuT
Dass die einzelnen Teile unserer Kleidung mit*
einander harmoniëren und zu der Gesamterschei*
nung des Menschen, der sie tragt, passen, dafl
zwischen den Gegenstanden, die in unseren Zim*
mern aufgestellt sind, irgendwie sich asthetische
erwandtschaft offenbare das sind selbstver*
standliche Forderungen gebildeter Menschen ge
worden. Aber die sogenannte Heimkultur, die in
den letzten Jahrzehnten und Jahren gewiB groBe
Fortschritte gemacht hat, muB hoffnungslos Halt
machen vor unserer Bücherei, namlich vor ihrenEin*
banden, sofern wir diese nicht nach unseren Ideen,
also nach einem in uns lebendigen asthetischen Plan
bei einem Handwerksmeister herstellen lieBen.
Damit ist das ausgesprochen, was ich zum Aus*
gangspunkt dieser Betrachtung machen will (und
was festzustellen ich seit Jahren nicht müBig bin),
daB namlich der Masseneinband von heute, all*
gemein der Verlegereinband genannt, ohne Rück*
sicht auf den zu erwartenden Kaufer des Buches
hergestellt wird, und daB seine Gestaltung und
Ausschmiickung im groBen und ganzen jede aus
irgendwelchen Prinzipien der Technik und der
ZweckmaBigkeit abgeleitete Idee vermissen laBt.
Gerade an dieser Stelle, die der Betrachtung und
der Pflege der Gebrauchsgraphik gewidmet ist
und die Arbeit für den Bucheinband der Masse
ist eines der wichtigsten Gebiete der Gebrauchs*
graphik mufi ein solches gewiB hart klingendes
Urteil ausgesprochen, aberauchbegründetwerden.
Die Forderung nach einheitlichem auBeren Auf*
bau einer Bücherei ist nun gewiB nicht so zu
verstehen, daB Eintönigkeit oder geringe Abwei*
chungen in den Farben der Einbande, volle Über*
einstimmung des Titelaufdrucks oder des ver*
zierenden Beiwerks herrschen soli. Ich kenne einen
Bibliophilen, dessen Bücherei einen geradezu papa*
geienbunten Eindruck machte; aber da jedes Buch
nach seinen Angaben beim Buchbinder gebunden
wurde, merkt man sofort die optische Idee, die den
Besitzer geleitet hat. Bei Einbanden, auf deren
farbige und formale Gestaltung der Kaufer keinen
EinfluB hat, wird natürlich ein derartig fühlbarer
Zusammenhang nicht in entferntestem MaBe her*
zustellen sein. Und doch ist zu verlangen, daB der
Künstler, der einen Einband entwirft, sich bewuBt
bleibt, daB er kein »freies« graphisches Blatt zu
schaffen, sondern einen Gebrauchsgegenstand zu
erdenken hat.
Das Buch ist um gelesen zu werden da. Der
Einband hat den Zweck, die Bogen des Buches
zusammenzuhalten, das Buch vor dem Verfall zu
schützen. Darüber hinaus soil er schön sein, und
diese Schönheit wiederum muB von besonderer Art
sein. Die asthetische Wirkung, die vom Buch*
einband ausgeht, soil aber nicht nur das Auge er*
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