Von der Technik in hohem Mafie abhangt, sollte
sich überhaupt kein Buchgewerbekünstler mit dem
Kinband beschaftigen, der nicht zuvor in groBen
Zügen den Werdegang der Bindetechnik im GroB*
betriebe kennen gelernt hat. Zu fordern aber ist
auBerdem, daB jeder Künstler, der sich mit dem
Maschineneinband beschaftigt, zuvor die Technik
des Handeinbandes kennen gelernt hat, um die
hier gewahrte technische Qualitat auch soweit
dies irgend in seinem Machtbereich steht beim
Masseneinband durchzusetzen.
Z. B. das Buch muB, nachdem der Rücken ge*
rundet ist, »abgepreBt« werden. Beim Handein*
band geschieht dies, indem der Rücken des in
die Handpresse gesetzten Buches solange mit dem
Hammer bearbeitet wird, bis ein sogenannter tiefer
Falz an den beiden seitlichen Grenzen des Rückens
entsteht; der Falz wird durch den ersten bezw.
letzten Bogenrücken, der heruntergeklopft ist, ge*
bildet. Das Abpressen schiebt die Bogenrücken
gewissermaBen ineinander und gibt dem Buche
hestigkeit. An den tiefen Falz werden die Deckel*
pappen herangeschoben. Beim Verlegereinband
(derinderüberwiegendenMehrzahleinMaschinen*
Masseneinband ist), bedient man sich zum Ab*
pressen der AbpreBmaschine. Der Künstler hat
nicht nur darauf zu achten, daB ein Buch überhaupt
abgepreBt wird, anders ist die Herstellung eines
haltbaren Einbandes überhaupt nicht möglich
er hat auch darauf zu sehen, daB der beim Ab*
pressen entstandene tiefe Falz dem Charakter des
Buches und der Finbandzeichnung in seiner Starke
angepaBt ist.
Soli ein wuchtiger Einband erzielt werden, so
darf dieser Falz nicht zu schwach sein. Geht die
Zeichnung vom Rücken auf die Deckel, so würde
ein zu tieferFalz den EindruckdesZusammenhangs
zerstören. Man sieht also an diesem einen Beispiel
bereits, was es in erster Linie beim Einbandentwurf
zu berücksichtigen gibt und wie stark der Künstler
mit der »technischen Seele« des Einbandes vertraut
sein muB.
Was die Einbandstoffe betrifft, so haben wirhier
besonders ein fesselndes, aber auch vielfaltiges Ge*
biet vor uns. Denken wir allein an die Unzahl der
verschiedenartigen Buntpapiere, die auf dem Markt
sind, an die Möglichkeit, mit verhaltnismaBig ein*
fachen Mitteln sich selbst Buntpapiere herzustellen
so sehen wir, wiereizvoll allein die Arbeit am »Papp*
band« sein muB. Der Pappband, bei dem der Ein*
band nur aus Pappe besteht, hat sich denn auch,
gerade wegen der Vielheit farbenschöner Bunt*
papiere immer mehrals derjenige Einband erwiesen,
der ohne groBe Kosten mit eigenem asthetischen
Leben zu erfüllen ist. Er istdazu berufen, derbiblio*
phile Einband der Masse zu werden. Sorgfaltig zu
durchdenken ist der Rückentitel. Mir ist es bisher
ein Geheimnis geblieben, weshalbdieMehrzahlder
Verlegereinbande den Langstitel auf dem Rücken
vorzieht, auch dann, wenn die Breite des Rückens
den leichter leserlichen Quertitel ohne weiteres zu*
laBt. Gerade hier haben wir ein Beispiel für die
von mir gerügte künstlerische Planlosigkeit beim
Entwerfen von Verlegereinbanden. Es ware schon
sehr viel gewonnen für die einheitliche Wirkung
des Einbandes in der Bücherreihe, wenn da, wo es
irgend möglich ist, der Rücken den Quertitel zeigt.
Bei einem Bundpapier*Einband wird man den
1 itel auf farbigem Schild anbringen. Und auch auf
diesem sozusagen kleinen Felde des Rückens kann
der Einbandkünstler sehr viel schöpferische Arbeit
leisten, kann reformieren und so der Buchbinderei
neue Wege weisensei es, daB er für Einbandpapier
und Rückenschild neuartige farbige Zusammen*
stellungen gibt, sei es, daB er für das Rückenschild
eine neue Form erdenkt, dieses an eine Stelle des
Rückens setzt, die dem Rücken einen reizvollen
Eindruckgibt usw. Auch erhöhenübermaBiggroBe
Schriften auf dem Rückentitel durchaus nicht dessen
geschmackvolle Wirkung. Und so könnte ich noch
spaltenlang mit Andeutungen und Winken fort*
fahren; könnte z. B. davon reden, wieviel künst*
lerisches Feingefühl die Auswahl des inneren Ein*
bandpapiers, des Vorsatzpapiers, ferner die Angabe
der richtigen Schnittfarbe verlangen usw. Allein
die verschiedenen Einbandarten, Pappband, Halb=
leinen* und Ganzleinenband, Halbleder*undGanz*
lederband, Halbpergament* und GanzpergamenR
band gewahren einen niemals zu erschöpfenden
Spielraum für künstlerische Durcharbeitung.
Diese aber ist nur möglich, wenn die mit Ein*
bandentwürfen betrauten Künstler sich der hier
umschriebenen Forderungen bewuBt sind, wenn
sie namlich nicht den Entwurf, sondern die Werk*
stoffe und die Konstruktionseinheit des Einbandes
als das Gegebene betrachten, wenn sie sich sagen,
daB der Bucheinband kein graphisches Blatt ist,
sondern ein Gebrauchsgegenstand, dessen tech*
nische Gesetze schon seit vielen Jahrhunderten
bekannt sind. Und so schlieBe ich mit der Forde*
rung, daB jeder Buchgewerbekünstler sich mit der
Herstellung des Handeinbandes vertraut macht.
Er wird erst dann imstande sein, Maschinenein*
bande zu erdenken, die aus dem Wesen der
buchbinderischen Arbeit herausgewachsen sind
und die die Freude am Besitz des Buches erhöhen-
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