DER ZEICHNENDE KÜNSTLER
VON REKI.AMEFACHMANNS GNADEN
minderwertige vorzutauschen. Mit einfachen Stof*
fen gute Wirkungen zu erzielen, sei ihm eine eben*
so wichtige Aufgabe, wie die Benutzung kostbar*
sten Materials.
Aber nicht nur das Vertrauen des Verlegers, auch
jenes der ausführenden Krafte des Buchgewerbes
gilt es fiir ihn zu erringen. Nur durch die verstand*
nisvolle Zusammenarbeit mit diesen »Handen«
des Buchgewerbes kann er seine Absichten in die
1 at umsetzen. Da darf kein falscherund unberech*
tigter Diinkel, kein »Künstlerstolz« aufkommen.
Er muB auf die Stimmen der Erfahrenen horen,
auf jene, die in ihrer, manchmal einseitigen, Tatig*
keit technisches Wissen und Können bestimmter
Arbeitsgebiete in reicherem Mafie sammeln können
als er. Die Achtung vor handwerklich guter Arbeit
darf ihn ebensowenig verlassen, wie seine Ableh*
nungjeden Schlendrians und jeder gleichgültigen
und stumpfen Tatigkeit.
Seine Gedanken beim Schaffen eines Buchein*
bandes sollen nicht durch Forderungen irrittiert
sein, die mit der Schönheit des Buches, mit seinem
eigentlichen Charakter nichts zu tun haben. Über*
laute Reklamewirkungen, die den Absatz des
Buches unterstützen sollen, muB er vermeiden. Er
soli sein fertiges Werk nicht im Laden oder im
Schaufenster desBuchhandlers, sondern im Biicher*
schranke des Buchliebhabers suchen.
So muB er, solange er arbeitet, lernen, lernen
und immer wieder lernen. Der göttliche Funke der
Inspiration kann nicht bei jedem seiner Werke sein.
Dassind Höhepunkte des künstlerischen Schaffens,
die unmöglich in jedem Augenblick der Tatigkeit
erklommen werden können. Aber was er erreichen
kann ist eine aus der Summe aller Erfahrung re*
sultierende Tiichtigkeit und Treffsicherheit, die
ihm in die Lage versetzt, in jedem einzelnen Falle
Einwandfreies zu leisten.
TRAUGOTT SCHALCHER
I I AN NS KROPFF hat in der »Gebrauchs=
graphik« zwei Aufsatze veröffentlicht, die sich mit
der Zukunft deutscher Reklame befassen. In diesen
Aufsatzen spricht sich ein ernster Wille aus, die
unsicheren und verschlampten Wege der fach*
mannischen Werbetechnik in breite, solide und
gangbare StraBen zu verwandeln. Was Kropff über
den künftigen Reklamefachmann sagt, wie er diesen
sich denkt, zeigt, wie hoch er sein Ziel steekt.
Manchmal schieBt er zwar iiber sein eigenes Ziel
hinaus. Schadetnicht. Kropff ist ein Pionier. Diesen
Leuten darf man es nicht iibel nehmen, wenn sie
auch mal zu weit gehen. Jedenfalls kennt er den
Reklamepraktiker sehr gut, er kennt auch dessen
feld oder Acker, er kennt die fast unabsehbaren
Mangel, spricht sie offen aus und zeigt Möglich*
keiten zur Besserung. Das ist viel.
Kropff schreibt in seinem ersten Artikel in Heft 7
der »Gebrauchsgraphik«: Die drei Faktoren, von
denen die Reklamegestaltung abhangt, sind
der l 'nternehmer, der Reklamefachmann,
der zeichnende Künstler.
Von diesen drei Faktoren kennt der Verfasser die
ersten beiden sehr gut und beurteilt sie treffend.
Den dritten Faktor kennt er aber schlecht und
beurteilt ihn demgemaB. Mit dem »zeichnenden
Künstler« meint er den Gebrauchsgraphiker.
Warum nennt er ihn nicht beim richtigen Namen?
Man kann daraus auf Kropffs Gesinnung schlieBen.
Die Bezeichnung »der zeichnende Künstler« sieht
an sich sehr harmlos aus. Wenn man aber aus den
Artikeln des Schreibers seine Absichten kennen
gelernt hat, dann weiB man, daB dieser «zeichnende
Künstler« ein übler Kastrat von Reklamefachmanns
Gnaden ist. Mit dem Beiwort »zeichnende« wird
das Abhangigkeitsverhaltnis des Künstlers zum
Reklamefachmann zum Ausdruck gebracht. Der
Ideengang Kropffs ist etwa folgender: Der Künstler
hat die Einfalle des Reklamefachmanns zu zeichnen,
ins BildmaBige zu übertragen, er, der «zeichnende
Künstler« hat zu dienen, er ist ein untergeordnetes
Organ auf dem Gebiete der Reklame und weiter
nichts. Diese Ansicht zieht sich wie ein roter Faden
durch die Ausführungen Kropffs.
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Cet animal est trés méchant: Quand on l'attaque, il se défend.
(Das ist ein sehr böses Viech! Schlagst du es, so beiBt es dich I)
Französisches Volkslied