rung unbedingt notwendigen Lebensmittel (Ta*
belle I) beziffert sich auf mindestens 15 Milliarden
Mark jahrlich, ist also 6 mal so hoch wie der
Produktionswert des gesamten deutschen Berg*
baus, mit durchschnittlich 2,5 Milliarden Mark
jahrlich. Die beabsicntigte Gegenüberstellung
des Gesamtproduktionswertes der Lands und
Forstwirtschaft und der einzelnen Industriezweige
konnte leider nicht gebracht werden, da solche
Berechnungen für die Forstwirtschaft und die
Industrien nicht vorliegen, ja, nicht einmal Zahlen*
material vorhanden ist,das auch eine nur annahern*
de Schatzung zuliefie. Der ungeheure Vorsprung,
dendie amerikanischeStatistik hierinderdeutschen
voraus hat, wird sobald nicht eingeholt werden
können. Aber wenn auch nicht einmal Schatzun*
gen möglich sind, so muB doch bezweifelt wer*
den, daB die Gesamtproduktion der nicht direkt
oder indirekt landwirtschaftliche Erzeugnisse vers
arbeitenden deutschen Industrie in ihrem Wert
auch nur annahernd an den Wert der Landwirts
schaftsproduktion und der darauf basierenden Ins
dustrien heranreicht. Rund4/?der erzeugtenMilchs,
Eiers, Fleischs sowie Obsts undGemüsemengen,3/7
der Brotgetreides, Kartoffels und Gerstenmengen
sowie fast die gesamteZuckerrübenmenge liefert die
Landwirtschaft an die anderen Berufsschichten
zum direkten Verbrauch und an die verarbeitens
den Industrien. Dem Nahrungss und GenuBs
mittelgewerbe sind 2,35 Millionen oder 38 Pros
mille der Gesamtbevölkerung berufszugehörig,
was fast genau der Zahl und dem Promillesatz
des dem Bergs, Salinens und Torfgrubenbau bes
rufszugehörigen Bevölkerungsteils entspricht. So
wurzelt ein bedeutender, für die menschliche
Existenz wichtigster Teil der deutschen Industrie
in der Landwirtschaft, mit deren Aufstieg oder
Niedergang sie mehr oder weniger direkt verbuns
den ist. Aber auch für die anderen Industrien ist
die heimische Landwirtschaft hier als Abnehmer
ihrer Erzeugnisse der wichtigste Faktor. Der Abs
satz der deutschen Industrie allein an die lands
wirtschaftliche Bevölkerung übersteigt ihre Auss
fuhr um das Vielfache. Hinzu kommt noch, daB
die für industrielle Artikel im Inlande erzielten
Preise meist weit höher liegen, als die auf dem
Auslandsmarkt erzielbaren, wo sie durch die Kons
kurrenz anderer Ausfuhrlander einem dauernden
Preisdruck unterliegen. Je gröBer und konstanter
also der Inlandsabsatz der deutschen Industrie an
ihren wichtigsten Abnehmer, die Landwirtschaft,
ist, desto sicherer fundiert wird sie sein und dems
entsprechend desto leichter auch auf dem Aus*
landsmarkt den Kampf mit den anderen Kons
kurrenten aufnehmen können. Eine weitschauende
Wirtschaftspolitik wird daher nie fragen dürfen:
Industries oder Agrarpolitik, sondern nur eineallen
Teilen gerecht werdende Industries und Agrars
politik treiben müssen. Ein genügender Schutz der
deutschen Landwirtschaft, wie er vom Reich in
nicht weitergehendem MaBe verlangt wird, also
z.B. von der deutschen Automobilindustrie, kann
sich nur in doppeltem Sinne günstig auswirken:
1. durch ihre gesteigerte Aufnahmefahigkeit und
dadurch bedingt erhöhten Absatz industrieller Ers
zeugnisse im Inlande, und 2. durch verminderte
Einfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse, infolge
dann möglicher Intensivierung und Produktionss
steigerung die Aktivierung der Handelsbilanz.
Die Passivitat der deutschen Handelsbilanz im
Jahre 1927 in Höhe von 4 Milliarden Mark ist
fast allein bedingt durch die Einfuhr landwirts
schaftlicher Erzeugnisse in beinahe gleicher Höhe.
Allein der Wert der Einfuhr an direkten Nahs
rungsmitteln und an lebenden Tieren, soweit sie
auch im Inlande selbst erzeugt werden könnten,
betragt abzüglich der Ausfuhr gleicher Positionen
etwa 3,5 Milliarden Mark.
DieLandwirtschaftistsomitdergröBte und wichs
tigste Faktor der deutschen Gesamtwirtschaftihr
Gedeihen bedeutet Konjunktur und Aufschwung
des gesamten Wirtschaftslebens, ihr Verfall und
Rückgang unbedingt auch deren Verfall und Rücks
gang. Es ist nicht zuviel behauptet, wenn man
sagt, daB die Landwirtschaft das Barometer der
deutschen Gesamtwirtschaft ist. Wenn auch die
Konjunkturkurve der deutschen Industrie zurzeit
wesentlich höher liegt als die der Landwirtschaft,
so schlieBt das diese Wechselwirkung auf die
Dauer nichtaus. Bei weiteremAnhalten derStagna*
tion in der Landwirtschaft wird der Konjunktur*
rückgang derlndustriewirtschaft, dessen Auftreten
an sich schon periodisch und auf Grund der heu*
tigen Wirtschaftsmethoden mehr oder weniger un*
abanderlich ist, noch früher und um so heftiger
einsetzen, je schwacher die Landwirtschaft dann
sein wird, in deren Aufnahmefahigkeit das
Mindestquantum absetzbarer Erzeugnisse groBer
Teile der deutschen Industrie begrenzt liegt.
Das Wissen um die Konjunktur und die sie be*
stimmenden Faktoren und daraus resultierend
ihre Prognosestellung ist die grundlegende Vor*
bedingung jeder zu ergreifenden wirtschaftlichen
Mafinahme. Ihre Beherrschung ist auch für den
Reklame* und Werbefachmann unabweislich not*
wendig zur richtigen Bestimmung der dem je*
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