Und was bringt die Zukunft? Prognosen für
die künftige Gestaltung des Arbeitsmarktes auf*
zustellen, war bisher eine der Hauptaufgaben des
Instituts für Konjunkturforschung. Ende August
jedoch hat das Institut sich der Erfüllung dieser
Pflicht mit folgender Begründung entzogen: »Der
akute Ausbruch der Kreditkrise hat an vielen
Stellen an dieFundamente der Wirtschaftsentwick*
lung gerührt und so den organischen Ablauf der
Depression unterbrochen. Solche von aufien her
auf die Wirtschaft einwirkenden Ereignisse sind
ebensowenig wie Erdbeben, Brandkatastrophen
usw. mit den Methoden der Konjunkturforschung
vorauszusehen; auch ihre Folgen, die die Wirt*
schaftsentwicklung in den nachsten Monaten be=
herrschen werden,entziehen sich jederquantitativen
Voraussicht. Es kommt hinzu, daB die Lage wirt*
schaftspolitische Mafinahmen notwendig macht,
die einen weiteren für die zahlenmaBige Prognose
nicht erfaBbaren Faktor darstellen. Aus diesem
Grunde unterlaBt es das Institut, gegenwartig eine
Voraussage für den Arbeitsmarkt aufzustellen.«
Zu dieser Begründung ist zunachst zu sagen,
daB eine akute Kreditkrise keineswegs ein »von
auBen her auf die Wirtschaft einwirkendes Er*
eignis ist« und also mit Naturkatastrophen nicht
in eine Linie gestellt werden kann. Akute Krisen
sind durchaus regelmafiig auftretende und in dem
Wirtschaftsrhythmus selbst begründete wirtschaft*
liche Ereignisse, wenn sie auch im Grad ihrer
Scharfe und in ihrem AusmaB sehr verschieden
auftreten. Es ware eine Bankrotterklarung jeder
Konjunkturforschung, wenn sie in krisenhaften
Zeiten ihre Prognosen stets einfach einstellen
wollte. Richtig an der Erklarung ist, daB wirt*
schaftspolitische MaBnahmen, die ergriffen wer*
den müssen, aber bisher nicht bekannt sind, für
die Prognose nicht erfaBbare Faktoren bilden.
Aber gerade im Hinblick auf solche wirtschafts*
politischen MaBnahmen ware es richtig, wenn die
Konjunkturforschung ihre Prognosen ohne alle
Rücksichten und Bedenken stellt und einfach klar*
legt, wie die Entwicklung sich gestalten würde
rein auf Grund des konjunkturellen unbeeinfluB*
ten Ablaufs. Sie würde dann das wichtigste Elilfs*
mittel liefern zur Beurteilung, Kritik und Beein*
flussung der geplanten wirtschaftspolitischen Ein*
griffe. Und niemand könnte ihr einen Vorwurf
daraus machen, daB die tatsachliche Entwicklung
der für eine unbeeinfluBte Wirtschaft geitenden
Prognose nicht entspricht.
Um Anhaltspunkte für die künftige Entwick*
lung der Arbeitslosigkeit und damit des Einkom*
mens und der Kaufkraft in den nachsten Monaten
zu erlangen, muB man berücksichtigen, daB die
vier Monate Marz bis Juni einen saisonmaBigen
Rückgang der Arbeitslosigkeit gebracht hatten,
daB sie seit der zweiten Julihalfte aber wieder recht
stark ansteigt und daB sie sich selbst in den saison*
maBig günstigen Monaten nur bis auf vier Mil*
lionen ermaBigt hatte. Die nachstehende Tabelle,
die einen Überblick über die Entwicklung im
letzten Jahre gibt, zeigt, daB jetzt im Gegensatz
zum Vorjahr das Hauptkontingent der Arbeits*
losen nicht mehr durch die relativ günstigen Ver*
sicherungsgelder unterstützt wird, sondern auf
die Krisen* oder Wohlfahrtsunterstützung ange*
wiesen ist resp. ohne jede Beihilfe bleibt, was für
die Kaufkraftgestaltung natürlich von groBer Be*
deutung ist.
Kurz bevor das Konjunkturinstitut seine Pro*
gnosen einstellte, hat es mit Recht darauf hin*
gewiesen, daB man die Entwicklung des Arbeits*
marktes im Juli wohl kaum als Folge der Banken*
krise betrachten könne, denn die Erschütterungen
des Kredits könnten sich in der Beschaftigung
kaum in so kurzer Zeitauswirken. Viel eher scheint
das vorzeitige saisonmaBige Absinken der Be*
schaftigungskurve mit veranlaBtzu sein durch das
Darniederliegen des Baumarktes und der mit ihm
zusammenhangenden Gewerbezweige, die sonst
regelmaBig im Somme.r den Arbeitsmarkt weit*
gehend entlasteten. »Die vollen Wirkungen der
Kreditkrisis«, so meinte damals das Institut, »wer*
den erst die nachsten Monate zeigen; denn es wird
sich kaum vermeiden lassen, daB die Unternehmer
unterdemDruckderKreditkrisisihreDispositionen
und damit ihre Beschaftigung entsprechend ein*
schranken müssen. Noch nicht zu übersehen sind
ferner die Wirkungen, die sich für den Kapital*
markt und damit für die Beschaftigung der Pro*
duktionsgüterindustrien ergeben.«
70
davon
Zahl der
Ende des Monats
Arbeits*
losen
insgesamt
in der
Arbeits*
losenver*
sicherung
in der
Krisen-
fürsorge
in der
Wohl*
fahrts*
(ürsorge
Nicht
unter*
stützt
August 1930
2882,5
1507,0
440,8
426,8
507,9
3004,3
1492,8
472,6
506,7
532,2
3252,1
1562,0
510,5
575,1
604,5
3698,9
4383,8
1787,9
566,1
657,4
687,5
2168,7
667,0
718,5
832,6
Januar 1931
4886,9
2554,2
810,6
798,4
723,7
4971,8
2589,3
907,6
851,9
623,0
4743,9
2317,0
923,5
890,5
612,9
4358,2
1887,3
902,3
933,7
634,9
Mai
4053,0
1578,2
929,4
948,5
569,9
3953,9
1412,3
941,3
960,1
640,2
3989,7
1204,9
1026,6
1758
,2
August (Mitte).
4104,0
1225,0
1056,0
1823,0