auswirken müsse. Zunachst ist dazu zu sagen, da6 die
Zellwolle einen etwas höheren Preis als die Naturfasern
wohl vertragen kann, weil bei den natürlichen Stoffen
im Gegensatz zu den gleichmafiig langen Stapeln der
Kunstfasern erhebliche Abfalle durch Aussortieren der
zu kurzen und durch Kürzen der zu langen Fasern ent-
stehen. Daher war die Zellwolle gegenüber der Schaf-
wolle hinsichtlich der Preise von vornherein konkurrenz-
fahig, wahrend gegenüber der Baumwolle der Preis-
unterschied mit zunachst etwa 50 erheblicher war.
Wenn heute Preise für Zellwollgarn (rein oder gemischt)
von 2,50 bis 2,80 RM gegenüber Kunstseidengarn von
4,50 bis 4,80 RM genannt werden und für Zellwolle in
der Flocke von 1,60 bis 1,80 RM per kg („Deutsche
Volkswirtschaft", 1936, S. 505), so hat damit die Zellwolle
sich dem Preis der Rohbaumwolle und des Baumwoll-
garns angenahert und wird „diese Preisangleichung mit
grundsatzlicher Methodik betreiben." Damit erschliefit
sie sich aber den Massenkonsum in den Fertigerzeug-
nissen der Baumwoll-, Woll- und Leinenweberei und den
Artikeln der Wirkereiindustrie. Der Anschlufi an den
Baumwollpreis wird durch zwei Faktoren begünstigt:
erstens dadurch, dafi mit steigendem Produktions-
umfang und mit steigenden Produktionserfahrungen sich
die Herstellungskosten senken lassen werden, zum
anderen durch die Gestaltung der Baumwollpreise, die
infolge schlechter Ernteertrage eine steigende Tendenz
aufweisen, womit der Preisunterschied zur Zellwolle er-
heblich verringert wird.
Die Voraussetzungen für die Steigerung der Zellwolie-
verwendung sind also vorhanden, und es ist kein
Zweifel, dafi sie auch ausgenutzt werden. Eine syste
matische Verbrauchslenkung durch die zu-
standigen Wirtschaftsorgane kann dabei wesentlich unter-
stützt werden durch die Werbung im weiteren und im
engeren Sinne. Zur Werbung im weiteren Sinne rechnen
wir dabei vor allem die Ansetzung kunstgewerblicher
Bemühungen beim Entwurf neuer Stoffmuster, die
Schaffung neuer Moden usw. Diese Bemühungen
kommen selbstverstandlich nicht ohne den Einsatz der
unmittelbaren Werbung bei Verarbeitern und Ver-
brauchern aus.
Dafi die Zellwolle nicht ein „Ersatzstoff", sondern tat-
sachlich ein neuer, gleichberechtigter Rohstofif ist, lafit
sich am besten dadurch beweisen, dafi sie nicht nur im
rohstoffbeengten Deutschland, sondern dafi sie auch in
reichlicher mit Naturrohstoffen gesegneten Landern im
Aufschwung begriffen ist. So besitzt 11 a I i e n schon
seit langerer Zeit eine erhebliche Zellwolleproduktion
und war 1935 mit 35 000 t Erzeugung der gröfite Zell-
wolleproduzent der Welt. Die Hauptproduktionsfirma
ist hier die Snia Viscosa, die die Zellwolle unter dem
Namen „Sniafiocco" vertreibt. Für Italien bestehen
insofern schwierigere Verhaltnisse als für Deutschland,
als der Grundstoff der Produktion, der Zellstoff, bei der
Waldarmut des Landes fast ausschliefilich aus dem
Ausland bezogen werden mufi. Daher bemüht sich
Italien urn Verbesserung der Gewinnungsverfahren von
Zellstoff aus Stroh und ist aufierdem zu Versuchen über-
gegangen, eine Spinnfaser aus Ginster zu gewinnen.
Ueberraschen mag die Tatsache, dafi auch England,
das in keiner Weise auf „Ersatzstoffe" Wert zu legen
brauchte, zur Zellwolleherstellung übergegangen ist, und
zwar wurden dort bereits Ende 1935 etwa 2 Mill, lbs
monatlich erzeugt, und eine neu, Anfang 1936 in Betrieb
genommene Zellwollefabrik des Courtaulds-Konzerns in
Greenfield (North Walis) hat die Produktionsmengen
noch erheblich vergröfiert. In den ersten neun Monaten
des laufenden Jahres betrug die englische Zellwolle
produktion 21,8 Mill, lbs, d. h. 200 mehr als in der
gleichen Zeit des Vorjahrs (7,25 Mill.); die Jahres-
produktion Englands dürfte jetzt also schon 30 Mill, lbs
erreichen. Auch in England ist für den Absatz gesorgt,
z. T. allerdings wird die Zellwolle ausgeführt, so nament-
lich nach den USA., dann nach Schweden, Spanien,
Kanada, der Tschechoslowakei, Holland.
Schliefilich sei noch auf die erhebliche Zellwolleproduk
tion Japans aufmerksam gemacht, das 1935 nicht
weniger als zwölf neue Zellwollefabriken errichtete;
1936 erhielt die Industrie noch einen erneuten Auftrieb
durch den Handelskrieg mit Australien, dem hauptsach-
lichsten Wollieferanten. lm Juni 1936 wurde von den
führenden Textilkonzernen Japans der Stapelfaser-
verband gegründet, urn diese Industrie neu zu organi-
sieren, und zwar soli in grofiem Umfang die Kunstseiden-
und die Baumwollindustrie auf Zellwolle umgestellt
werden, so dafi im Laufe der nachsten Jahre 50 000 bis
60 000 t jahrlich erzeugt werden können. Nach einer
Mitteilung des „Wirtschaftsdienst" soil die Zeugmeisterei
der japanischen Armee Versuche mit dem Zellwollzusatz
für Uniformstoffe anstellen, und im Erfolgsfall soli die
ganze japanische Uniformherstellung als wichtigstes Ver-
wendungsgebiet derWolle zur Zellwollbeimischung über-
gehen.
Die Gesamterzeugung von Zellwolle in der Welt ist
1934 auf 22 000 t berechnet worden; sie stieg 1935 bis
auf 66 000 t. Für die Hauptproduktionslander werden
folgende Zahlen (in 1000 t) genannt:
1934
1935
10,0
35,0
Deutschland
7,2
15,6
1,2
5,9
1,5
4,5
Frankreich
2,0
4,0
USA
1,0
1,8
0,3
0,3
Für 1936 dürften die Zahlen, wie aus den geschilderten
Landerbeispielen hervorgeht, eine erhebliche Steigerung
aufzuweisen haben.
Der internationale Handel mit Zellwolle ist
naturgemafi noch gering angesichts der Tatsache, dafi
der neue Rohstoff in den meisten Erzeugungslandern der
inlandischen Bedarfsdeckung dient. Für Deutschland
weist die Handelsbilanz noch einen Einfuhrüberschufi an
Zellwolle auf, der sich 1934 auf etwa 8000 t belief. Die
Bedeutung der Zellwolle für die deutsche Aufienhandels-
bilanz liegt natürlich auf der anderen Seite: in der Er-
sparnis an Devisen. Um die devisenpolitische
Bedeutung der Tatsache zu klaren, dafi infolge der
Zellwolleproduktion Deutschland seinen Baumwollbezug
verringern kann, stellf die Berliner Börsen - Zeitung
folgende Berechnung an: „Der Kostenanteil für Zellwolle
ist selbst unter der Voraussetzung, dafi der Rohstoff
ganz aus dem Ausland bezogen wird, folgendermafien
10 bis 12% devisenpflichtige Rohstoffe (Holz), 70%
chemische Roh- und Hilfsstoffe deutscher Herkunft, 18 bis
20 deutsche Produktionskosten (Löhne usw., Finanzie-
rung, Abschreibung). Gegenüber dem hundertprozentigen
Devisenanteil der Baumwolle belauft sich dieser für
Zellwolle höchstens auf 10 bis 12%."